11. Januar 1992 | Süddeutsche Zeitung | Literatur, Rezension | Der Fall Romy Schneider

Die Dinge des Lebens

"Der Fall Romy Schneider" von Michael Jürgs

MICHAEL JÜRGS: Der Fall Romy Schneider. Biographie. List Verlag, München 1991. 346 Seiten, 39,80 Mark.

Das wirkliche Leben ist eine Erfindung, die Wahrheit liegt in der Fiktion. Die schönsten Biographien leben von dieser Einsicht: Norman Mailer über Marilyn Monroe, David Thomson über Warren Beatty. Sie haben erkannt, daß Schauspieler nicht von ihrem Image zu trennen sind, und sie leben davon, daß sie die Bilder, die man sich macht, ernst nehmen. Die Fakten eines Lebens sind nur Pfeiler, zwischen denen die Imaginationen aufgespannt werden. Dies kenntlich zu machen, darin liegt ihre Qualität.

Kaum ein Gesicht ist hierzulande von so vielen Bildern überlagert worden wie das von Romy Schneider. Und von Anfang an ging es für sie darum, dabei ihr Gesicht zu wahren, nicht vor der Öffentlichkeit, sondern vor sich selbst. Sissi, Blatzheim, Delon, Meyen, Biasini, David: Ihre Tragödie hatte viele Namen, daran wurde ein Leben aufgehängt, unter diesen Chiffren wurde es geradezu begraben. Auf geradezu musterhafte Weise vollzog sich ihr Schicksal, alles schien ins Bild zu passen. Verräterin und Verlorene, Überläuferin und Überkandidelte, jede erdenkliche Rolle wurde ihr auf den Leib geschrieben, jede Schablone mußte passen. An Romy Schneider wurde der öffentliche Blick exekutiert. Und das wahrhaft Tragische daran war, daß dabei das Leben selbst zum Korsett wurde, das ihr nach und nach den Atem abschnürte.

Michael Jürgs hat versucht, ein paar Knoten zu lösen, ein paar Dinge aus dem Dunkel der Gerüchte ins rechte Licht zu rücken. Das Leben hat er durch einen fiktiven Erzählstrang gegliedert, in dem eine Recherche nach dem Tod geschildert wird. Dazu hat der ehemalige Chefredakteur und Reporter des Stern die zwei Seelen in seiner Brust aufgespalten in einen Chefredakteur und eine Reporterin, die für eine Frankfurter Illustrierte an einer Geschichte über den Fall Romy Schneider arbeiten. Das ist schön gedacht, aber eitel ausgeführt. Es wäre interessanter gewesen, wenn er in seinen Fiktionen über sich selbst hinaus auf die Figuren gesehen hätte, die Romy Schneider gespielt hat. Immerhin schafft es diese Konstruktion, die Emotionen weitgehend abzuspalten, und damit den Blick für Dinge zu öffnen, die darunter zumeist begraben wurden.

Der Titel des Buches belegt schon, daß Jürgs an Romy Schneider kein Exempel statuieren will, sondern am Fall exemplifizieren will, was dieses Leben so schwer gemacht hat. Der Fall Romy Schneider ist ein freundschaftliches Buch geworden, aufrichtiger und interessanter als die meisten Biographien, die bei uns über Schauspieler geschrieben werden. Es schließt mit einem Zitat von Max Reinhardt, das zusammenfaßt, worum es geht: „Aber der Weg zu uns selbst und zu unseren Nächsten ist sternenweit.“

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