21. Oktober 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Wall Street 2

Und der Haifisch, der hat Zähne

Oliver Stone hat in den achtziger Jahren mit WALL STREET dem Turbokapitalismus einen Spiegel vorgehalten - die Fortsetzung GELD SCHLÄFT NICHT hinkt der Entwicklung eher etwas hinterher

Ein besonders subtiler Regisseur war Oliver Stone noch nie, aber er besaß schon immer ein Gespür für Stoffe und den richtigen Moment, sie anzupacken. Und manchmal genügt das ja auch schon, um sich in den Zitatenschatz des Weltkinos einzuschreiben. Wie eben der Spruch „Gier ist gut“, der 1987 in WALL STREET auf fruchtbaren Boden fiel und Generationen von gierigen Spekulanten in ihrem Tun befeuerte, obwohl Stone seinen Antihelden doch seiner gerechten Strafe zugeführt hatte.

Gordon Gekko heißt die Rolle, für die Michael Douglas damals einen Oscar gewann, weil man in Hollywood seine Motive noch besser verstand als an der Wall Street – und wer schon diesen reptilienhaften Namen für nicht sonderlich subtil hält, der muss sich nur vor Augen halten, dass die Pendants im wirklichen Leben damals auch wie schlecht erfunden klangen: Ivan Boesky und Michael Milken.

Und was das angeht, so wäre man vor 2007 mit einem Drehbuch, das die Machenschaften mit faulen Krediten und ihre Ausweitung zur globalen Finanzkrise zum Thema gehabt hätte, wahrscheinlich überall abgewiesen worden, weil jeder gesagt hätte, dass man mit so hanebüchenen Praktiken nicht weit kommt. Was geklungen hätte wie ein schlechter Film, wäre dann aber doch nur die banale Wahrheit gewesen. In jedem Fall ein gefundenes Fressen für einen Mann wie Oliver Stone.

Dass Stone in WALL STREET 2 dann doch nichts unternimmt, um der Krise auf den Grund zu gehen, sondern sich auch nur einreiht in den Chor der Moralprediger, ist nicht wirklich überraschend. Schließlich waren seine Einsichten ins Finanzgebaren der achtziger Jahre auch nicht größer als in PRETTY WOMAN und beschränkten sich im Wesentlichen auf pulsierende Börsenkurse, das verführerische Funkeln der Skyline und das Haifischgrinsen von Michael Douglas. Aber es war eben das richtige Grinsen zur richtigen Zeit. Und wie bei der Grinsekatze im Wunderland von Alice blieb das Grinsen auch dann noch eine ganze Zeit in der Welt, als die Grinser längst hinter Gittern saßen.

Wenn Gordon Gekko zu Beginn der Fortsetzung aus der Haft entlassen wird, ist das fast schon die beste Szene von „Geld schläft nie“ (was natürlich ein toller und zugleich völlig nichtssagender Titel ist): Er bekommt seine Uhr, einen leeren goldenen Geldclip und sein altes Mobiltelefon ausgehändigt, dessen Größe geradezu prähistorisch wirkt. Dann steht Gekko verloren vor dem Tor, und die vorfahrende Stretch-Limousine holt nicht etwa ihn, sondern einen schwarzen Rapper ab.

Das ist ein Anfang, der eine Reibung mit dem Original verheißt, die aber nur ein genialer Pitch für dieses Nachfolgeprojekt bleibt, weil stattdessen eine Einblendung folgt: acht Jahre später. In diesen acht Jahren hat Gekko als Buchautor und Mahner Erfolg gehabt, hat gepredigt, Spekulation sei die Mutter allen Übels, aber natürlich wirkt er etwas aus der Zeit gefallen – wie der Film selbst auch.

Schon der erste Teil handelte ja im Grunde von einer Vater-Sohn-Beziehung und davon, wie sich Charlie Sheen am Ende gegen den bösen Ersatzvater für den guten echten Vater entscheidet. Auch diesmal gibt es einen jungen Protegé (gespielt vom allgegenwärtigen Shia La Beouf), der nicht nur zufällig mit Gekkos Tochter (Carey Mulligan) liiert ist, die vom Vater nichts mehr wissen will, sondern auch noch einen Ersatzvater (Frank Langella) hat, dessen Bank vor die Hunde geht und der sich daraufhin vor die U-Bahn wirft. Und weil der Mann, der ihn in den Ruin getrieben hat, auch noch derselbe ist, der einst Gekko ans Messer geliefert hat, sinnt der junge Banker einerseits zusammen mit dem Schwiegervater in spe auf Rache und muss andererseits irgendwie die Versöhnung zwischen Vater und Tochter betreiben.

Das klingt nicht nur holzschnittartig, sondern ist es auch. Aber das hat ja schließlich das Original auch nicht daran gehindert, etwas von dem einzufangen, was über die Figuren hinausweist. Und man merkt Stone auch an, wie er immer wieder anhebt, etwas dingfest zu machen, von dem er selbst nicht genau weiß, worin es sich von einst unterscheidet.

Wo damals der Fluss des Geldes mit unbarmherzig dahinjagenden Zahlenkolonnen bebildert wurde, schmiegen sich jetzt die Fieberkurven der Börsenkurse an die Skyline, als wollten sie bebildern, worauf diese Stadt gebaut ist. Und auf die markigen Sprüche von damals setzt er noch markigere, die das Gegenteil behaupten, aber genauso wenig bedeuten: „Money never sleeps.“

Ganz bei sich ist Stone, wenn sein Kameramann Roger Prieto auf einem Empfang die glitzernden Ohrgehänge der Damen abfährt; wenn Susan Sarandon als überspannte Immobilienmaklerin mit viel zu großer Tasche ihren Sohn um Geld anhaut; oder wenn Gordon Gekko es dann eben doch nicht lassen kann, beim vermeintlich so wichtigen Versöhnungstreffen mit seiner Tochter erst mal irgendeinem Bekannten von einst die Hand zu schütteln, obwohl der ihn noch nicht einmal mehr erkennt. In dieser ärmlichen Geste steckt viel mehr Wahrheit über die Gekkos dieser Welt als in all den Lippenbekenntnissen, mit denen der Film sonst hausieren geht. Und so ist auch Oliver Stone: Er schüttelt dann doch lieber Hände, als irgendwem auf die Füße zu treten.

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