30. September 1988 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Im Rausch der Tiefe

IM RAUSCH DER TIEFE von Luc Besson

Ein Film mit Tiefgang, fast 20 000 Zentimeter unter dem Meer. Von einer die Weltmeere umspannenden Freundschaft zweier Taucher erzählt THE BIG BLUE, von ozeanischen Gefühlen also. Der Sizilianer Enzo fürchtet nichts und niemanden außer seiner Mama und rechnet die Schweigsamkeit nicht gerade zu den Tugenden. Der Franzose Jacques hingegen schweigt, lächelt und glaubt an Zen und die Kunst, ein Delphin zu sein. Jacques und Enzo jagen unablässig dem Weltrekord im Tieftauchen hinterher. Also geht es um unsichtbare Grenzen, die zwischen Freundschaft und Rivalität, Rausch und Ruhe, zwischen Körper und Geist, Leben und Tod verlaufen. Der Film steuert auf einen Punkt in der Tiefe der Meere zu, an dem sich diese Grenzen auflösen: THE BIG BLUE ist ein guter Name dafür. Dort gilt die Bewegung nichts mehr und die Farbe alles. Das macht aus dieser ultramarinblauen Geschichte, aus diesem submarinen Melodram einen fast abstrakten Abenteuerfilm. Es gibt darin Bilder, wie sie noch nie zuvor im Kino zu sehen waren: Bilder, die sich den Konventionen des Genre Kinos entziehen und manchmal erschreckend leer wirken. Man sieht auf die Leinwand wie durch die Scheibe eines Aquariums. Das ist Stärke und Schwäche von Luc Besson zugleich, diese aus der Distanz zelebrierte Nähe. Selbst im eigenen Land gilt Besson als Satellit des französischen Kinos. Das ist seine Perspektive auch in diesem Film: Aus astronomischer Höhe blickt er auf die Oberflächen der Welt. Seine gnadenlos vertikale Geschichte erzählt Besson in hemmungslos horizontalen Breitwandbildern, macht Kino im Panoramablick. Man müßte THE BIG BLUE zusammen mit Philip Kaufmans THE RIGHT STUFF zeigen: der Stoff, aus dem die Helden sind – zu Wasser und zu Luft. Zwischen Jacques und Enzo, Jean Reno und Jean-Marc Barr stöckelt Rosanna Arquetta umher und versteht nicht viel. Weil sie viel zu oberflächlich ist.

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