31. August 2000 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Dolphins

Ein blaues Wunder

Wasser, Werbung und ein Erstling, der von sich reden macht: DOLPHINS von Farhad Yawari

Der Mann hat eine Menge Wirbel veranstaltet. Hat die Filmhochschule abgebrochen, um diesen Film auf die Beine zu stellen. Hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und es tatsächlich geschafft, gut viereinhalb Millionen Mark aufzutreiben, um seinen Traum zu verwirklichen. Und wie jeder Filmemacher, der etwas auf sich hält, hat er eine Menge trauriger Geschichten zu erzählen: Wie er von Förderungen, Festivals und Finanziers abgelehnt wurde. Wie er im Vorgarten des oscargekrönten Filmkomponisten John Barry als Eindringling von der Polizei festgenommen wurde; wie die Kassette des Films doch beim Komponisten landete und der ihm tatsächlich Musikbänder schickte; und wie sich der Filmemacher dann doch für einen anderen Komponisten entschied.

Wie alle guten Geschichten hat auch diese natürlich ein Happy End: Den Film DOLPHINS gibt es, auf amerikanischen Festivals wurde er gefeiert, und der Filmemacher Farhad Yawari hat Angebote aus Hollywood. Um seine Zukunft muss man sich schätzungsweise keine Sorgen machen. Mit seinem Talent, den Leuten das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen – und diese Versprechen dann auch zu halten –, wird er seinen Weg machen. Und wenn in Amerika die Kritiker ihn zum nächsten Spielberg (wahlweise auch Bertolucci oder Besson) ausrufen, dann wird er es verkraften, wenn in Deutschland Zweifel vorgebracht werden.

Denn die Geschichte, die Farhad Yawari in DOLPHINS zu erzählen hat, ist nicht halb so spannend wie die Entstehungsgeschichte des Projekts. Es geht um ein Mädchen in einer Psychiatrischen Anstalt, das von der Freiheit träumt. Ihre Träume spielen unter Wasser, handeln von Delphinen und sind vor allem blau. Weil das Anstaltspersonal aber böse ist, gönnen sie den Patienten ihre großen Träume und kleinen Freiheiten nicht. Wenn alle mit gelben Blumen tanzen, fahren sie dazwischen und machen alles kaputt. Aber ein Pfleger und ein Müllmann verhelfen der Träumerin am Ende doch zu ihrem Recht. Das Märchen, das Yawari ohne Worte erzählt, kann jedes Kind verstehen – also auch die Amerikaner.

Vielleicht hat der Regisseur so viel Werbung für sich machen müssen, dass auch sein Film nicht anders kann, als in jedem Bild sich selbst zu bewerben. Seht her, scheint er fortwährend zu rufen: Wie gut alles aussieht, wie effektvoll, wie professionell. Nur gilt auch für Märchen, besonders im Film, dass irgendwo ein Rest von Geheimnis bleiben muss, ein Überschuss, der über das Gesagte und Gemeinte hinausgeht. Mag sein, dass im Kurzfilm für das Zwiespältige, Doppeldeutige weniger Platz ist als im Spielfilm. Aber DOLPHINS dauert immerhin 45 Minuten und kommt über die Ausdrucksmittel des Kurzfilms nie hinaus, auch wenn die Bilder so tun, als seien sie großes Kino.

In gewisser Weise ähnelt DOLPHINS dem Projekt TUVALU von Veit Helmer, einem anderen talentierten Großsprecher in eigener Sache, der auf ähnlich wundersame Weise gegen alle Widrigkeiten seinen Film auf die Beine gestellt hat und damit weltweit auf Festivals Preise und Ansehen gewinnt. Beide Filme gleichen sich in der Art, wie sie Poesie fortwährend in Versalien buchstabieren. Poesie ist aber, wenn man so will, das Gegenteil von Großbuchstaben. Wer sie erzwingen will, erreicht oft das Gegenteil: Plakatkunst.

Wahrscheinlich muss man sagen, dass genau darin die Begabung liegt, nach der das Welt- und Hollywood-Kino sucht. Und wie man an Roland Emmerich sieht, ist es genau jene Selfmade-Begabung, die sich am Ende durchsetzt. Den schwäbischen Erfolgsregisseur nannten sie anfangs auch Spielbergle.

DOLPHINS, D 1999 – Regie und Buch: Farhad Yawari. Kamera. Torsten Breuer. Schnitt: Horst Reiter. Musik: Marcel Barsotti. Mit: Julia Brendler, Marco Hofschneider, Annette Kreft, Pierre Sanoussi-Bliss, Anna Thalbach, Ellen Umlauf. Verleih: Movienet. 87 Minuten (mit den Vorfilmen VERZAUBERT von Carmen Stozek und Christian Ditter, sowie QUEEN’S PARK STORY von Barney Cokeliss).

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