22. September 1995 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 22.09.1995

Dexter Gordon, Charlie Parker und Chet Baker spielen diese Woche im Arena, und man kann ihnen dabei zusehen, wie sie sich die Seele aus dem Leib und den Mund blutig blasen. Jeweils um 22.45 Uhr laufen am Freitag Bertrand Taverniers ROUND MIDNIGHT, in dem Dexter Gordon seinen ganzen Körper wie eine Melodie bewegt; am Samstag und Sonntag Clint Eastwoods BIRD, in dem Forrest Whitaker den nach Musik wie Drogen süchtigen Charlie Parker spielt; und von Montag bis Mittwoch Bruce Webers LET’S GET LOST, in dem der Photograph dem James Dean des Cool Jazz seine Reverenz erweist. Die richtige Reihe für feucht glänzende Großstadtträume.

Starke Männer

Im Werkstattkino spielen die starken Männer Krieg: Bis Sonntag um 23 Uhr Jack Nicholson bei Monte Hellman in BACK DOOR TO HELL (1964); von Montag bis Donnerstag um dieselbe Zeit Edmond O’Brien bei Don Siegel in CHINA VENTURE (1953), beides Filme über Kommandotrupps im 2. Weltkrieg. Dazu läuft um 20.30 Uhr jeweils THE PROFESSIONALS von Richard Brooks mit Burt Lancaster, Robert Ryan, Lee Marvin, Woody Strode und Claudia Cardinale, über den in der französischen Filmzeitschrift Positif folgender wunderbarer Text stand: ‚THE PROFESSIONALS ist das Meisterwerk von Richard Brooks. Betrachtet im Kontext der Weltproduktion ist der Film der Meister aller Klassen. Er ist der Cassius Clay des Films von 1966: der kräftigste und der wendigste, der effektvollste und harmonischste, hochbegabt in Punch und Technik, überhaupt nicht begabt im Konformismus, von großer Eleganz und Poesie: ganz Brooks, 200 Prozent Brooks, der Brooks, den wir kennen, der Jounalist, der Großherzige, der Pragmatische, der Rooseveltianer, und noch ein anderer Brooks, ein gigantischer Brooks, der den anderen Brooks verdeckt und ihn zugleich komplettiert – der epische, der lyrische, der shakespeare’sche, der verzweifelteBrooks.‘ Genau.

Die Frau, die nicht lacht

Im Filmmuseum laufen am Freitag um 18 Uhr Claude Sautets UN COEUR EN HIVER und um 20 Uhr Jacques Rivettes LA BELLE NOISEUSE, und am Donnerstag um 21 Uhr Claude Chabrols L’ENFER, in denen Emmanuelle Béart jeweils das tut, was sie am besten kann: nicht lachen. Es gibt wohl zur Zeit im Kino keine Frau, außer vielleicht Michelle Pfeiffer, der wir das so gerne durchgehen lassen.

Blutiger Sonnenuntergang

Das Theatiner zeigt am Wochenende um 22.45 Uhr Rudolf Thomes ROTE SONNE, den schönsten und coolsten Film, der je in München gedreht worden ist. Von einem Paar wie Marquard Bohm und Uschi Obermaier kann das heutige deutsche Kino nur noch träumen, und so blutig ist auch seither die Sonne über dem Starnberger See nicht mehr untergegangen.

Zwischen Gut und Böse

Das Filmmuseum zeigt außerdem am Samstag um 18 Uhr Carol Reeds THE THIRD MAN und um 21 Uhr Michael Powells PEEPING TOM die es sich beide mit Gut und Böse nicht leicht machen.

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