20. November 1992 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 20.11.1992

Echter als die Wirklichkeit sind die Filme im Imax im Deutschen Museum. 16 mal 21 Meter groß ist die Leinwand, da fliegt einem die Welt wirklich um die Ohren. Bislang werden dort die Wunder der Erde und die Welt der Biber gezeigt; irgendwann sollen Filme von Warner und Disney dort laufen – das kann ja heiter werden.

Trambahn im All

Das Maxim zeigt die Filme von Andrej Tarkowskij zum letzten Mal. Siegfried Daiber schreibt in seinem Programmzettel: ‚Der Streit der GUS-Nachfolgeinstitutionen um das Erbe aus der UdSSR und die optimale kapitalistische Vermarktung dieses Erbes, lassen eine Verlängerung der Lizenzen in der jahrzehntelangen Form nicht mehr zu. Die Auswertung wird nun, wenn überhaupt nochmals im Kino, in ganz anderen Kinokategorien und unter Marktbedingungen stattfinden. Wir trauerten um Andrej Tarkowskij, wir trauern nun um seine Filme. Unsere Trauer war und ist ehrlich: Kein Filmemacher hat mit seinen Werken uns mehr bewegt – und unser Kino mehr unterstützt – als er.‘

Diese Woche läuft also noch mal jeweils um 21 Uhr SOLARIS, die Verfilmung eines Science-Fiction-Romans von Stanislaw Lem. Im Vergleich zu Kubrick sieht sich Tarkowskij so: ‚Wenn man beispielsweise das Einsteigen der Fahrgäste in eine Straßenbahn so aufnimmt, als hätte man noch nie eine Tram gesehen und wüßte auch nichts von ihr, dann erhält man etwas ähnliches wie Kubrick in der Episode mit der Raumschiff-Landung. Filmt man jedoch dieselbe Landung im Kosmos so wie eine Trambahn-Haltestelle in einem Gegenwartsfilm, wirkt sie ungekünstelt.‘

Das Innere einer Kuh

Das Filmmuseum zeigt am Wochenende Filme von David Lynch. Am Freitag um 18 Uhr WIL AT HEART und um 21 Uhr TWIN PEAKS: FIRE WALK WITH ME, am Samstag um 18 Uhr THE ELEPHANT MAN und um 21 Uhr die frühen Kurzfilme THE ALPHABET und THE GRANDMOTHER. Lynch schildert in Robert Fischers Monographie bei Heyne seine Vorlieben so: ‚Also ganz oben auf der Liste steht Haut. Ich liebe die Form von Fabriken. Ich liebe Rauch am Himmel, und ich liebe Ölpfützen. Und ich mag Draht, und ich mag zerbrochenes Glas, und ich mag Schweiß und Pistolen. Ich mag ein bißchen Blut und Speichel auf Beton. Ich mag Autos und Auspuffgase, und, ich weiß nicht, tausend andere Dinge. Ach ja: Zähne… Man könnte das Innere einer Kuh in Großaufnahme photographieren und das Bild ins Wohnzimmer hängen, und jeder würde sagen, wie schön das ist. Sobald man den Leuten sagt, daß es sich um eine tote Kuh handelt, reagieren sie ganz anders. Solange sie es als Struktur und abstrakte Sache sehen können, sind sie sehr glücklich. Weil das Schönheit ist.‘

Im Theatiner läuft um 18.15 Uhr Leo McCareys THE AWFUL TRUTH mit Cary Grant und Irene Dunne, über ein Paar, das sich wegen einer Reihe dummer Zufälle scheiden lassen will und dann reichlich Mühe hat, wieder zueinander zu finden. Ein Film aus jener Zeit, als die Liebe im Kino noch schöner war.

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