Soziologie im Slapstick
DIE AKTE, USA 1993, von Alan J. Pakula. Eine frühe Grisham-Verfilmung – es ist bislang die beste geblieben. Julia Roberts ist eine naive, ein wenig amerikagläubige Jurastudentin, mit der die Männer aus Politik und Geheimdienst ein finsteres Spiel treiben, im Bestreben, ein Justiz-Mord-Komplott zu vertuschen. Eine Schwärze breitet sich langsam aus in diesem Film, die das ganze Land in eine moralische Depression treibt. Ein weiteres Beispiel für Pakulas Kunst, eine politisch-paranoide Geschichte in ein eindringliches Stück Americana umzuformen. Roberts liefert eine zarte, bewegende Studie jenes „little girl lost”, als das wir sie seit Pretty Woman kennen – und in wenigen Tagen wiedersehen werden, als die Braut, die sich nicht traut. (Samstag, 15. 30 Uhr, RTL 2)
BUMERANG, USA 1946, von Elia Kazan. Er ist dem Kino zeit Lebens misstrauisch gegenüber geblieben, und in den Vierzigern, als man ihn, den erfolgreichen Broadway-Mann, nach Hollywood holte, ist er immer wieder ausgewichen, in die Provinz, an Originalschauplätze. Nach Connecticut zum Beispiel, wo er diese kleine Geschichte inszenierte um einen Mord, der zum Politik- und Justizskandal wurde. Ähnlich bodenständig wie Pakula hat er alle möglichen Genres benutzt, um von den einfachen folks at home zu erzählen – von einer Heimat also, die er, der einsame Immigrantensohn, sich so intensiv erträumte. (Samstag, 16. 10 Uhr, 3sat)
FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY, USA 1960, von Blake Edwards. Auch Holly Golightly kommt aus der Provinz, die Heldin dieser unvergesslichen Liebeserklärung an die Stadt New York. Der Charme von Audrey Hepburn hat die ganze Stadt verwandelt, und ein wenig dieser Magie ist auch in Julia Roberts noch zu spüren. (Samstag, 20. 15 Uhr, Kabel 1)
SNEAKERS – DIE LAUTLOSEN, USA 1992, von Phil Alden Robinson. Ein Gegenstück zu Grisham; Robert Redford und seine Jungs – darunter River Phoenix, Sidney Poitier, Dan Aykroyd, David Straithairn – demonstrieren die Wonnen der Solidarität. Ganoven als good guys: Sie knacken Sicherheitsanlagen und Computercodes, um deren Wirksamkeit gegen Industriespionage zu testen. Ein schönes Alterswerk, in dem Redford erstmals Gruppendynamik entwickelt (Samstag, 20. 15 Uhr, RTL)
CLEOPATRA, USA 1934, von Cecil B. DeMille. Ein glamouröser Blick auf die antike Geschichte. Spannung entwickelt sich bei DeMille nie aus der Aktion, ihn interessiert viel mehr das Davor oder das Danach – jene Momente, da durch Blicke und Gesten Beziehungen suggeriert und aufgebaut werden, da – Claudette Colbert als Cleopatra ist unvergleichlich in dieser Kunst – durch ein Stirnrunzeln über Weltreiche entschieden wird. (Samstag, 23. 55 Uhr, WDR)
125, RUE MONTMATRE, Frankreich 1959, von Gilles Grangier. Lino Ventura als Mann von der Straße, ein Zeitungsjunge vom Pigalle. Er wird in ein Mordkomplott verwickelt, dem er nur durch die Solidarität des Kommissars entrinnt. Ventura ist, ungeachtet seiner Gangsterfilme, ein Gemütsmensch par excellence gewesen. (Nacht zum Sonntag, 0. 30 Uhr, BR)
SHINING, USA 1979, von Stanley Kubrick. Der größte Film des Meisters, nach einem Roman von Stephen King. Ein Blick ins amerikanische Gemüt von draußen, aus einem Hotel in den Bergen Colorados, das im Winterschlaf von den Geistern seines Landes heimgesucht wird. (Sonntag, 22. 20 Uhr, Kabel 1)
Die Tücken der Schönheit, USA 1926, von Hal Roach und Leo McCarey. Amerikanischer Slapstick mit dem bei uns immer noch unterschätzten Charley Chase. Die Zweideutigkeit ist seine Domäne, hat Michael Althen einst über ihn geschrieben: „Er ist von allen Komikern seiner Zeit der anzüglichste, frivolste, tuntigste. Es gibt kaum einen Film, in dem er nicht früher oder später in einem Negligé auftaucht. Und meist sind es die Frauen, die da ihr Spiel treiben und ihn genüsslich bloßstellen. ” Damit man sich keine falschen Erwartungen macht: Die Filme von Charley Chase sind alles andere als schlüpfrig, im Gegenteil, im Team mit Regisseur McCarey erweist sich Chase als ein Meister des perfide-perfekten Timings, der gnadenlosen Analyse amerikanischer Gesellschaftsregeln. Soziologie im Slapstick – das nächtliche Nachsitzen lohnt unbedingt! (Nacht zum Montag, 2. 25 Uhr, Arte)