24. Oktober 1993 | Focus Magazin | Porträt | John Malkovich

Lust am Bösen

Der wahre Held in Wolfgang Petersons Thriller IN THE LINE OF FIRE mit Clint Eastwood heißt John Malkovich. Ein Porträt

Dieser Mann fühlt sich wohl in seiner Haut. Oder gefällt er sich nur in einer seiner Rollen? Vielleicht ist der Unterschied gar nicht so groß. Die Art, wie John Malkovich redet und wie er sich gibt, ist auf jeden Fall ein gelungenes Schauspiel. Noch das Gekünstelte wirkt bei ihm ausgesprochen kunstvoll.

Er ist gekleidet wie ein Dressman: modisch, aber nicht exzentrisch. Er trägt Sachen, die man in Modezeitschriften, aber selten auf der Straße sieht. Eine hochgeschlossene Jacke, grün und weiß, fein gestreift. Weite Hosen und weiche Mokassins. Er sei ein Pfau aus dem Mittleren Westen, hat Bertolucci mal gesagt. Tatsächlich zelebriert Malkovich jede Geste und jeden Satz, als würde er ein Rad schlagen. Fortwährend streichelt seine Hand den Flaum auf seiner hohen Stirn oder tastet im Gesicht umher. Und dabei wirkt er weniger nervös als gelangweilt. So kommt es, daß man ihm gegenüber manchmal den Eindruck hat, man sei nicht mehr als ein Spiegel, in dem er die Wirkung seines Auftritts überprüft.

Im Grunde ist diese Selbstverliebtheit auch der Schlüssel zu seiner Rolle in Wolfgang Petersens IN THE LINE OF FIRE. Malkovich spielt darin einen Mann, der ein Attentat auf den amerikanischen Präsidenten plant und dafür kein anderes Motiv hat als die eigene Lust am Bösen. Der Mord allein genügt ihm dabei aber nicht, sondern er braucht auch noch ein Publikum, das die Brillanz seines Plans würdigen kann. Also sucht er sich einen Gegner in unmittelbarer Nähe des Opfers, den Spezialagenten Clint Eastwood, der auch schon Kennedys Bodyguard war, als der in Dallas erschossen wurde. Mit ihm tritt Malkovich telefonisch in Kontakt, nur um ihn an der Nase herumführen und ihm seine Ohnmacht zu demonstrieren. Eastwood ist der Spiegel, den sich Malkovich für seinen Auftritt als Attentäter ausgesucht hat.

Die reine Lust am Bösen hat ihn schon in GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN angetrieben, wo er den Valmont spielt, der wettet, daß es ihm gelingt, eine tugendhafte Frau zu verführen und zugrunde zu richten. In solchen dämonischen Rollen ist Malkovich bei aller Breite seiner schauspielerischen Palette am besten. Da kann er seiner Eitelkeit freien Lauf lassen, kann näseln und säuseln, charmant und eisig sein, seinen verschlagenen Blick aufsetzen und ein falsches Lächeln seine Lippen umspielen lassen. Und dabei wandelt er mit der Grazie eines Seiltänzers auf dem schmalen Grat zwischen augenzwinkernder Ironie und blutigem Ernst.

Was das heißt, illustriert am besten eine Szene aus dem neuen Film. Da hängt der Agent Eastwood in der Luft, wird mit der einen Hand von seinem Gegner Malkovich am tödlichen Fall gehindert, während er mit der anderen ihn mit der Waffe bedroht. Und plötzlich beugt sich der Killer vor und nimmt den Lauf der Pistole in den Mund. Diese beinahe obszöne und ungeheuer wirkungsvolle Geste stand nicht im Drehbuch, sondern entstammt Malkovichs Eingebung. So etwas könne nur ihm einfallen, meinte Petersen.

Wer allerdings glaubt, solche Einfälle seien bei Malkovich Ergebnis seiner Identifikation mit der Rolle, täuscht sich gewaltig. „Wozu bin ich denn Schauspieler? Ich muß mich nicht mit meinen Rollen identifizieren, um ihnen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Es genügt völlig, den Anweisungen des Autors zu folgen. Der Unterschied zwischen mir und den meisten Schauspielern ist eben, daß ich das Drehbuch lese.

Bei diesen Recherchen, die meine Kollegen anstellen, frage ich mich immer, was sie eigentlich glauben, wozu sich der Autor die ganze Mühe gemacht hat? Ich versuche natürlich nicht, sie zu bekehren. Und solange sie meine Arbeitsweise akzeptieren, können wir auch gut zusammenarbeiten. Aber wenn sie erwarten, daß ich sie mit ihren Rollennamen anspreche, dann können sie nicht auf mich zählen.“

Diese deutlichen Worte sind eine Überraschung für jeden, der in Malkovich bisher nur den sensiblen Intellektuellen vermutet hat, den er in HIMMEL ÜBER DER WÜSTE gespielt hat. Damals sagte Bertolucci über ihn, John sei ein Zentaur: „Er hat die Füße eines Fußballspielers und bewegt sich gleichzeitig sanft und feminin wie ein Ballettänzer.“

Auch wenn Malkovich Journalisten (KILLING FIELDS, ELENI) und Clowns (SCHATTEN UND NEBEL), Verführungs- (GEFÄHTLICHE LIEBSCHAFTEN) und Überlebenskünstler (REICH DER SONNE, OBJECT OF BEAUTY“), Einfältige (VON MÄUSEN UND MENSCHEN) und Behinderte (EIN PLATZ IM HERZEN) gespielt hat, so ließ sich sein Image doch immer auf einen Nenner bringen: Er war kein Mann, wie ihn sich Männer vorstellen, sondern einer, wie ihn sich Frauen wünschen. Und so war es auch kein Zufall, daß Susan Seidelman ihn in der Titelrolle von „Ein Mann á la Carte“ besetzte.

Das war vor seiner Scheidung von der Kollegin Glenne Headly und seiner Affäre mit Michelle Pfeiffer, und vor allem vor seiner Heirat mit Bertoluccis Assistentin Nicoletta Peyran und der Geburt seiner beiden Kinder Armandine und Loewy.

Wo er früher noch Rollen an der Seite von Eastwood in SUDDEN IMPACT oder Costner in ROBIN HOOD abgelehnt hat, da hat er mittlerweile seine Berührungsängste abgelegt. Gerade hat er einen FBI-Agenten in JENNIFER 8 gespielt, und nach seiner Rolle als Attentäter ist er nun neben Robin Williams als durchtriebener Riddler für BATMAN 3 im Gespräch.

Ist er etwa auf der Suche nach einem neuen Image? „Unfug! Ich bin ein professioneller Schauspieler, der sehr hart arbeitet. Ich habe 40, 50 Sachen gemacht, bevor irgendwer überhaupt meinen Namen gehört hat, und ich werde noch mal genauso viel in Zukunft machen: Wie kann man da von Image reden? Ich war schon zehnmal der nächste Brando oder der neue James Dean, ich war Robert Duvall oder Jack Nicholson oder ich selbst. Das ist ein Spiel, aber kein Image.“

Im Dezember wird Malkovich 40, und es wirkt, als wolle er sich jetzt beweisen, daß er auch ein ganz großes Publikum in seinen Bann schlagen kann: nicht nur die Damen in den Großstädten, sondern auch die Halbwüchsigen auf dem Lande. Nicht nur in Kunstfilmen, sondern auch in der Massenunterhaltung.

So führt er vor, was man mit seinem Talent aus eher stereo-typen Rollen machen kann. Dazu muß man sich nur ansehen, wie er in JENNIFER 8 als FBI-Agent einen Schnupfen zelebriert.

Auch wenn er es leugnet, scheint für den Schauspieler Malkovich eine neue Ära anzubrechen. Als Mensch zieht Malkovich fürs erste diese Bilanz: „Ich habe jeden Menschen, dem ich in meinem Leben begegnet bin, mit dem größten Respekt behandelt. Das kann ich aufrichtig sagen. Mit Ausnahme von drei oder vier Mal, und jetzt bin ich fast vierzig Jahre alt. Das ist kein schlechter Schnitt. Ich habe nie jemanden aufgrund seiner Farbe, Rasse, Nationalität oder Religion beurteilt. Ich brauche also keine politische Korrektheit, ich bin korrekt. Bin ich deshalb perfekt? Nein.“

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