25. Juli 1992 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Blake Edwards

Eine schöne Bescherung

Zum 70. Geburtstag des amerikanischen Regisseurs Blake Edwards

Man müsse, hat ihm sein Freund Bill Holden verraten, nur lange genug am Fluß sitzenbleiben, dann könnte man nach und nach die Leichen seiner Feinde vorbeitreiben sehen. Damals konnte sich Blake Edwards des Gefühls nicht erwehren, daß etwas weiter flußabwärts auch jemand sitzt, der wiederum auf ihn wartet. Nun sitzt er aber schon ziemlich lange, und er hat sie alle überlebt, die Produzenten und Kritiker, die ihm Anfang der Siebziger Jahre die Geduld und beinahe auch den Verstand raubten. Und zur Bestätigung seines Triumphes wurden heuer in Cannes anläßlich einer Retrospektive die restaurierten Fassungen der damals verstümmelten Filme gezeigt: DARLING LILI und WILD ROVERS.

Erfolg ist die beste Rache: Nach den Auseinandersetzungen floh Blake Edwards aus Hollywood ins Exil nach England, um sich mit drei selbst produzierten Fortsetzungen der Pink Panther-Serie um den vertrottelten Inspektor Clouseau zurückzumelden. Sie machten aus ihm einen reichen Mann, der seither nicht mehr auf die Gnade der Produzenten angewiesen ist. Es ist kein Zufall, daß ihn ausgerechnet die Rückbesinnung auf die Serie gerettet hat. In den Fünfzigern hatte er sich mit Radio- und später auch Fernsehserien wie PETER GUNN einen Namen gemacht und dabei einen Sinn fürs freie Spiel mit den Formen entwickelt, eine Leichtigkeit des Erzählens, mit der er Pirouetten auf kleinstem Raum vollführen kann.

Der am 26. Juli 1922 in Tulsa, Oklahoma, geborene William Blake McEdwards ist eine Filmemacher der dritten Generation. Sein Großvater war Regisseur in den Kindertagen des Kinos, sein Vater Produktionsleiter und Regieassistent in Hollywoods großer Zeit. So war es nur logisch, daß auch Blake Edwards im Filmgeschäft sein Glück versuchte. Erst als Darsteller in etwa drei Dutzend Filmen der Vierziger Jahre, dann als Drehbuchautor für und mit Richard Quine, ehe er sich 1955 mit zwei Vehikeln für Frankie Laine zum ersten Mal selbst als Regisseur versuchte. Der Vergleich mit seinem Freund Richard Quine, der sich vor drei Jahren umgebracht hat, macht deutlich, über welchen Abgründen sich Edwards‘ Karriere bewegte. Denn Quine, ähnlich leichtfüßig in der Regie wie sein Freund, hatte nach einigen Flops in den Sechziger Jahren keine zweite Chance mehr bekommen. Und das war eher die Regel für jene Generation, die Hollywood einen giftig goldenen Herbst beschert hatte.

36 Filme hat Blake Edwards bislang gedreht, und demnächst folgt die achte Auflage des ROSAROTEN PANTHERS, mit Roberto Benigni als unehelichem Sohn des Inspektors Clouseau, der als zentrale Figur im Werk gelten kann. Denn nur ein verrückter Flic kann in einer verrückten Welt zu richtigen Ergebnissen kommen. Mit seiner kindlichen Unbeirrbarkeit gleicht er durchaus einem modernen Sisyphus, dessen einziges Ziel nur der Weg sein kann und dessen einzige Gewißheit in der Wiederholung liegt. Da führt ein direkter Weg zu den Vorbildern aus dem Slapstick, aber nicht nur der Vorliebe für derben, physischen Humor wegen, sondern auch wegen der unglaublich kunstvollen Choreographie, mit der nicht nur die Gags in Szene gesetzt werden. Auch für den Reigen der Emotionen findet Edwards immer wieder die erstaunlichsten Lösungen, wo Trauer und Freude, Witz und Dramatik Hand in Hand gehen.

Von allen Talenten ist dies vielleicht sein größtes: Die Fähigkeit, jeder Sache zwei Seiten abzugewinnen, jedem Augenblick ein Moment der Irritation einzupflanzen. Aus der übelsten Demütigung erwächst die größte Ausgelassenheit, aus der überschwenglichsten Freude das tiefste Unglück. Um zu wissen, in welches Wechselbad der Gefühle diese Filme einem stürzen können, muß man sich nur an FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY erinnern, dieses Meisterwerk aus Sophistication und Sentiment. Vielleicht hat jene Eleganz der fließenden Übergänge, die durchaus ihre Entsprechung in einer Vorliebe für alles Flüssige hat, den Blick auf die Abgründe verstellt. Das nennt man heutzutage altmodisch, dabei ist es eine Sache von Einstellung und Können. Die Fallhöhe wird dadurch auch nicht geringer, im Gegenteil, nirgends sind die Stürze so bodenlos wie bei Blake Edwards. Was kann einem Macho Schlimmeres passieren als im Körper einer Frau wiedergeboren zu werden. Und was kann es Schöneres geben als ein Ende im Kreißsaal.

Von EXPERIMENT IN TERROR bis THAT´S LIFE!, von UNTERNEHMEN PETTICOAT bis BLIND DATE, von THE PARTY bis DIE TRAUMFRAU überall ist die gleiche Liebe am Werk, die kein Mitleid braucht, um Nachsicht walten zu lassen. Und immer paßt dazu jene immer wiederkehrende Zeile seiner Vorbilder Laurel und Hardy: „Das ist ja wieder eine schöne Bescherung.“ Was kann man Blake Edwards zu seinem Siebzigsten Besseres wünschen?

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