05. Dezember 1992 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Clint Eastwood

Unbeirrte Träume vom gegenseitigen Respekt

Der Regisseur und Schauspieler Clint Eastwood in einer Edition von Warner Home Video

Sein Gesicht ist aus Stein, die Züge hat man mit dem Meißel herausgeschlagen. Unter den harten Kanten lauert ein Totenschädel, den die lederne Haut nur notdürftig überspannt. Bei Clint Eastwood verzieht sich keine Miene ohne guten Grund. Bereits der leiseste Anflug eines Lächelns hieße in diesem Gesicht, Berge zu versetzen.

„Man muß Eastwood einfach mögen“, schrieb David Thomson 1974 nach einer Begegnung, „er hat Magnum Charme, sieht eindrucksvoll aus – wo er jetzt auf die 55 zugeht, verhärtet sich die Schönheit, ist vom Frost konturiert, nicht mehr von der Sonnenbräune. Er ist sehr natürlich, sehr stark; sein Geist ist sehr lebendig. Mit ein klein wenig Vorstellungskraft kann man den Felsen sehen, an dem einige der Fragen abprallen werden. Es ist erschreckend und einschüchternd, wenn ein Schauspieler so wenig deine Liebe braucht, und das wird auch dadurch kaum abgemildert, daß er trotzdem deinen Respekt begehrt.“

Eastwoods Erscheinung ist sehnig, sein Körper funktional wie eine Maschine. In seiner Unaufhaltsamkeit nahm er in den Siebzigern die Terminatoren vorweg, die selbst dann, wenn von ihnen nur noch ein Stahlskelett-Torso übrig ist, ihrer tödlichen Programmierung gehorchen. Nichts kann ihn aufhalten, nichts sein Mitleid erregen. Er schießt erst und fragt dann. Dies sei, meinte Pauline Kael voller Verachtung, nicht mehr länger die romantische Welt, in der glücklicherweise der Held auch der beste Schütze ist, sondern eine, in der der beste Schütze automatisch der Held ist.

18 Clint-Eastwood-Filme – manche von ihm, alle mit ihm – hat Warner Home Video jetzt als Kaufkassetten zu je 29,90 Mark neu aufgelegt. Die Reihe beginnt 1966 mit Leones ZWEI GLORREICHE HALUNKEN, und man kann im chronologischen Verlauf verfolgen, wie das Image des Schauspielers sich in die Themen des Regisseurs zersplittert.

Aus dem Fremden ohne Name und Moral, der den Italowestern ihr Gesicht verlieh, wurde der Cop Calahan, der als Dirty Harry nur seinem eigenen Gesetz gehorchte. Die Unbeirrbarkeit dieser Figuren findet sich dann wieder in den Künstlerbiographien von Charlie Paker in BIRD und John Huston in WEISSE JÄGER, SCHWARZES HERZ und in den Country-Balladen von BRONCO BILLY und HONKYTONK MAN. Dem Nihilismus der frühen Jahre entwuchs eine neue Generation von Figuren, die ihren Träumen um jeden Preis nachkam. Der schwindsüchtige Honkytonk Man Ben Stovall singt weiter, obwohl er jedesmal mehr Blut spuckt; der Saxophonist Parker spielt weiter, obwohl er dafür immer mehr Drogen braucht; und der Regisseur Huston läßt in Afrika von seiner Elefantenjagd nicht ab, obwohl er damit seinen Film aufs Spiel setzt. Und am anderen Ende steht dann die beinahe naive Unschuld einer Figur wie Bronco Billy, der mit seiner Wildwest-Show aus Cowboys und Clowns den Traum verwirklicht, daß jeder sein kann, was er sein will.

Eastwood sei, auch dies stammt von Kael, das Gegenstück zu Humphrey Bogart, der noch wußte, was Schmerz ist. In der Tat zeichnet seine Helden zumeist eine Fühllosigkeit aus, die sich gleichermaßen gegen sie selbst wie gegen andere richtet. Für Mitleid ist da in der Tat kein Platz, auch nicht bei Bronco Billy, der wie die anderen fest daran glaubt, daß jeder sein Schicksal selbst in die Hand nehmen muß. Eine unglaubliche Freiheit herrscht bei Eastwood, und sie wurzelt in dem Glauben, daß sich eine Gemeinschaft durch gegenseitigen Respekt besser regulieren läßt als durch Gesetze.

Sein Outlaw Josey Wales zieht in DER TEXANER in den Wirren nach dem Bürgerkrieg los, um die Emordung seiner Familie zu rächen. Am Ende seiner Suche hat er eine kleine Gesellschaft von Außenseitern um sich geschart, die er zur Wehrhaftigkeit erzieht und in die Verteidigung ihrer Hütte einweist. Eine schöne Utopie ist das, diese Gemeinschaft von Über- lebenden, die sich ganz natürlich organisieren.

Im Unterschied zu anderen Helden des Action-Kinos hat man bei Eastwood nie den Eindruck, daß er die Gewalt braucht, um sich seiner selbst zu versichern. Er definiert sich nicht durchs Handeln, seine Präsenz ist auch im Stillstand intakt. Daß sich seine Haltung durch keinerlei Regungen verrät, heißt nicht, daß man von seiner Unempfindlichkeit auf Gewalttätigkeit schließen darf. Er ist ein Pazifist, der die Gewalt nicht ablehnt. Da steht er durchaus in der Tradition so unbeweglicher Typen wie Mitchum und Bogart, auch wenn ihm das Bewegen von Natur aus mehr entspricht.

Immer schon war sich Eastwood seines Images sehr bewußt, hat es von Anfang an reflektiert und dirigiert. Schon seine erste Regiearbeit SADISTICO hatte seine Wirkung zum Thema, erzählte von einem Radio-Discjockey, dem eine Hörerin ohne Rücksicht auf Verluste nachstellt. Mit demselben Hintersinn hat er die meisten seiner Rollen ausgestattet, hat augenzwinkernd seine Helden immer wieder gegen Frauen den Kürzeren ziehen lassen. Eastwood ist stets weniger auf Heroisierung aus als auf Legitimierung.

Am Beginn von DIRTY HARRY sieht man einen Scharfschützen eine badende Schöne auf einem entfernten Hochhausdach abknallen. Diese unmenschliche Distanz, die die Opfer von den Tätern trennt, muß Harry Calahan fortan überwinden. Er kann das nur, indem er alle Gefühle und Gesetze aus dem Weg räumt, die sich zwischen ihn und den Mörder stellen. Wie nah sich auf diese Weise Gesetzeshüter und -brecher kommen, erzählt dann später TIGHTROPE (DER WOLF HETZT DIE MEUTE), in dem von Anfang an eine Verbindung zwischen Serienkiller und detective geschaffen wird, die mehr von Schizophrenie als von Geistesverwandtschaft erzählt. Nicht nur weil Eastwood als liebender Alleinerzieher einerseits und exzessiver Bordellbesucher andererseits gezeigt wird, sondern weil keine Möglichkeit ausgelassen wird, eine gespaltene Persönlichkeit zu suggerieren, in der Polizist und Mörder zusammenfallen.
Diese Ambivalenz hat man Eastwood oft und heftig vorgeworfen, hat ihn als Faschisten beschimpft, dabei ist er nur ein einsamer Wolf, der inneren Frieden sucht. Wie ein Denkmal wirkt er manchmal, überholt, verwittert, angeschlagen, aber immer steht er gerade für das, was er tut.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mailadresse wird nicht öffentlich angezeigt. Pflichtfelder sind mit * markiert. Mit Absenden Ihres Kommentars werden Ihre Einträge in unserer Datenbank gespeichert. Weitere Informationen finden Sie in unserer » Datenschutzerklärung


20 + 4 =