03. April 2000 | Süddeutsche Zeitung | Kommentar | Wim Wenders Oscar-Enttäuschung

700 000 Mark Trost

Drei Nominierungen beim Deutschen Filmpreis für Wim Wenders - ein schwacher Trost für entgangene Oscar-Ehren

Bester Film: The Million Dollar Hotel. Bester Dokumentarfilm: Buena Vista Social Club. Beste Regie: Wim Wenders. Drei Mal ist Wenders für den Deutschen Filmpreis nominiert worden, und obwohl das insgesamt 700 000 Mark an Nominierungsgeldern sind, wird ihm das nur ein schwacher Trost für die entgangenen Oscar-Ehren sein. Deutsche Filmpreise gewinnt man zwar auch nicht alle Tage, aber die Chance auf einen Oscar ergibt sich wenn man Filme wie Wenders macht eben so gut wie nie. Als klarer Favorit aller Umfragen und Voraussagen hatte er letzte Woche mit ansehen müssen, wie sein Dokumentarfilm über die alten kubanischen Musiker gegen einen Film über das Münchner Olympia-Attentat verlor, gegen One Day in September, eine Produktion des Schweizers Arthur Cohn. Nun ist zwar alles Wenn und Aber müßig, und Wenders selbst hat am allerwenigsten Lust, den schlechten Verlierer zu spielen, aber die speziellen Umstände dieser Entscheidung waren sogar der New York Times ein paar Absätze ihrer Oscar-Berichterstattung wert.

Weil die Wahl der Dokumentarfilme seit Jahren für Verdruss gesorgt hatte, indem erfolgreiche Anwärter übergangen wurden, hatte man die Abstimmung einem größeren Kreis von Academy-Mitgliedern geöffnet. Theoretisch konnte nun jedes der über 5000 Mitglieder abstimmen, sofern es per Unterschrift bestätigte, jeden der fünf Filme gesehen zu haben. Praktisch war das aber nicht möglich, weil One Day in September so gut wie nicht zu sehen war und auch keine Videocassetten verschickt wurden. Indem Cohn auf diese Weise den Kreis der Stimmberechtigten auf den notorisch kleinen und überalterten Kreis jener reduzierte, die Zeit haben, alle fünf Kandidaten in einer der Academy-Vorführungen zu sehen, umging er sozusagen regelkonform alle Versuche, diese Kategorie publikumsgerechter zu gestalten. Dem Branchenblatt Variety gegenüber bezeichnete Cohn diese Unterstellung natürlich als Nonsens. Und bei der Preisverleihung war er frech genug, der Academy auch noch dafür zu danken, dass sie Qualität von Erfolg unterscheiden könne.

Beim Deutschen Filmpreis am 16.  Juni kann Wenders hingegen leichten Herzens verlieren – das Nominierungsgeld bleibt ihm.

Reaktionen:

Vorführungen in Los Angeles

Leserbrief zu "Oscar für den besten dokumentarischen Spielfilm: 700 000 Mark Trost" / SZ vom 3. April

Michael Althen hat jedes Recht, die Tatsache zu bedauern, dass der wunderschöne Film „Buena Vista Social Club” von Wim Wenders nicht mit dem Oscar geehrt wurde. Dies gibt ihm aber nicht das Recht, falsche und diffamierende Behauptungen über den Gewinner „One Day In September” aufzustellen. Im Gegensatz zu den anderen nominierten Filmen hatte der Gewinner-Film, der erst im Oktober fertig gestellt und regelkonform eine Woche lang in Los Angeles gezeigt worden war, noch keinen Verleih in den USA. Nach der Oscar-Nominierung zeigte die Film-Akademie den Film „One Day In September” in fünf großangekündigten Vorführungen. Das amerikanische Film-Institut arrangierte eine Gala in der Screenwriter’s Guild für 1650 Personen, unter ihnen viele Academy-Mitglieder. Das Simon-Wiesenthal-Institut ehrte den Film mit einer Vorführung vor 600 Personen. Außerdem fanden neun zusätzliche Vorführungen des Films statt.
Es ist barer Unsinn zu behaupten, dass „One Day In September” so gut wie nicht zu sehen war. Jedes Academy-Mitglied, das sich für den Film interessierte, erhielt konkrete Gelegenheit, ihn sich in einer Kinovorführung anzuschauen.

Da der Film noch nicht in den Kinos gelaufen ist, waren noch keine Kassetten in Umlauf. Ich bin im Übrigen der Meinung, dass es richtig und wichtig ist, für den Oscar nominierte Filme im Kino zu sehen, und Bruce Davies, der Generalsekretär der Film-Akademie, hat dies im Fachblatt Variety ausdrücklich unterstützt. Im Gegensatz zu Althens Artikel sind unzählige Persönlichkeiten in Los Angeles, die alle nominierten Filme gesehen haben, der Meinung, dass „One Day In September” der mit Abstand beste der fünf Filme ist. Diese Überzeugung wurde auch vom Star-Kritiker der Los Angeles Times, Kenneth Turan, wiederholt unterstrichen.
ARTHUR COHN

Süddeutsche Zeitung, 06. 04. 2000

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