Monster statt Märchen
Ein Gespräch mit Tim Burton über die Bürden des Erfolgs
Schon jetzt gehört der 33jährige Kalifornier zu den nach Zahlen erfolgreichsten Regisseuren aller Zeiten. Angefangen hatte Tim Burton als Zeichner bei Disney, ehe er 1982 mit Vincent, einer Hommage an sein Jugendidol Vincent Price, den ersten eigenen Kurzfilm drehte. Es folgten FRANKENWEENIE, PEE WEES IRRE ABENTEUER, BEETLEJUICE, BATMAN, EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN und nun BATMANS RÜCKKEHR, eine Reihe von erstaunlich originellen und düsteren Visionen, in denen es immer wieder um Maskenspiel und Tod geht. Mit Burton sprach Michael Althen.
Wenn Sie beliebig viel Geld hätten und keine Rücksicht aufs Publikum nehmen müßten, welchen Film würden Sie dann machen?
Beim Film gibt es immer Widerstände, egal wieviel Geld man zur Verfügung hat. Man muß stets mit etwas kämpfen: dem Licht, den Schauspielern oder mit Tieren. Und sobald man Leute mit einer künstlerischen Ader um sich versammelt, werden immer zu viele Temperamente da sein, die die eigene Entscheidung nicht ganz unbehelligt lassen. Manchmal wünschte ich, das Filmemachen wäre mehr wie die Malerei, wo man mit sich und den eigenen Entscheidungen allein ist.
Wird denn die Arbeit durch die Widerstände besser oder schlechter?
Sie gehören einfach dazu. Und für jemanden wie mich, der vom Zeichnen kommt, wo einem fast keine Grenzen auferlegt sind, ist es ganz gut, ein wenig Zwang zu spüren, weil sonst unter Umständen nie etwas herauskäme. Man muß dabei nur auf die richtige Balance achten. Sonst bringt man keine Bilder mehr auf die Leinwand.
Malen Sie noch?
Ein wenig. Ich spiele herum. Es ist ein sehr unvermittelter und einfacher Prozeß. Das füllt die andere Seite in mir aus.
Reflektiert die Szene in BATMAN, wo der Joker im Museum alte Meister übermalt, Ihren Umgang mit der Filmgeschichte?
In Amerika gibt es einen Hang zur Kategorisierung, einen konservativen Hang zu einem Kodex, der vorschreibt, was man darf und was nicht. In dieser Szene hat es mich einfach amüsiert, daß sich der Joker darüber hinwegsetzt.
Von Ihrem Kurzfilm FRANKENWEENIE bis zu BATMANS RÜCKKEHR scheinen Sie immer wieder von Nähten fasziniert zu sein, von zusammengeflickten Identitäten?
Diese Nähte sind ein Thema für sich bei mir. Sie sind ein ganz einfaches Symbol für Nicht-Integration, ein Sinnbild für jemanden, der nicht dazugehört. Ich war immer schon an Monstern interessiert. In Amerika gibt es keinen wirklichen Sinn für Geschichte, keine eigenen Mythen oder Märchen. Für mich haben immer Monster diese Rolle übernommen. Sie waren immer die Wesen im Kino, die mich berührt haben, waren auf merkwürdige Weise jeweils die komplexesten Figuren. Das gilt auch und besonders für BATMAN.
Glich Ihre Kindheit den Bildern, die Ihre Filme von den Vorstädten entwerfen?
Wenn Sie die Umgebung aus EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN nehmen und die Farbe weglassen, käme das ungefähr hin.
Haben Sie sich dort gelangweilt?
Ja, deshalb fasziniert mich ein Stoff wie BATMAN. Ich mag dunkle Dinge mit Abgründen, was sicher auch eine Reaktion ist auf den Ort, wo ich aufgewachsen bin. Man fühlte sich wie eine leere Leinwand, die auf Bilder wartet, auf kulturelle Anregungen, große Emotionen.
Können Sie sich an den glücklichsten Moment Ihres beruflichen Lebens erinnern?
Ich erinnere mich an einen Wendepunkt nach BEETLEJUICE, an den Augenblick, an dem ich realisierte, daß es ein Publikum für ein anderes Erzählen gibt. Der Erfolg des Films bestätigte mich in meinem Glauben, daß die Leute nicht unbedingt nur Filme sehen wollen, die alles beim Namen nennen, und daß es einfach nicht stimmt, was einem die Leute in Hollywood ständig weismachen wollen: Daß man alles wortwörtlich erzählen, alles erklären muß; daß die Geschichte einen Zusammenhang schaffen muß und dafür typische Charaktere nötig sind. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als mir bewußt wurde, daß es Leute gibt, die sich auch für das andere interessieren. Diese Erfahrung brachte mich dazu, weiterzugehen auf meinem Weg.
Hat der Erfolg des ersten BATMAN die Arbeit am zweiten erleichtert?
Nein, eigentlich wollte ich den Film ja gar nicht machen. Denn dabei wird plötzlich der Vergleich zum Brennpunkt der Arbeit. Darauf war ich nicht wild. Der Erfolg ist doch eher eine Bürde…
Hat das mit dem finanziellen Druck bei solchen Großprojekten zu tun?
Unglücklicherweise ist jede kreative Entscheidung auch eine finanzielle, besonders wenn es sich um einen Film handelt, bei dem alles eigens hergestellt werden muß. Deshalb kann es nie eine rein künstlerische Entscheidung geben – sie ist immer auch ökonomisch.
Welche Regisseure würden Sie als Ihre Mitstreiter bezeichnen?
Ich bin in einer seltsamen Position, weil mich keiner für einen unabhängigen Filmemacher hält, und ich andererseits aber auch kein Studioregisseur bin. Ich weiß nicht, wo ich stehe. Witzig ist, daß die meisten Unabhängigen sich ein Studio erhoffen, das ihre Filme finanziert, und die meisten Studio-Regisseure jedoch lieber unabhängig sein möchten.
Für die Rolle von Catwoman gab es ja unter Schauspielerinnen in Hollywood einen richtigen Kampf. Wer wäre Ihre zweite Wahl nach Michelle Pfeiffer gewesen?
Die einzigen Schauspielerinnen, die ich außer Michelle gesehen habe, waren Ellen Barkin und Jennifer Jason Leigh. Aber Besetzungssachen machen mich sowieso verrückt. Ich mag es nicht, Schauspieler bewerten zu müssen, denn ich kann die entstehenden Spannungen nicht ertragen. Dafür sind meine sozialen Talente nicht gut genug ausgeprägt. Nach sechs Monaten Zusammenarbeit mit Michelle kann ich mir ohnehin niemand anderen mehr vorstellen. Ich würde sie gar nicht erkennen, wenn ich ihr ohne Katzen-Kostüm begegnen würde. Bei so einer Arbeit wird der Film zur Realität.
Ist ein dritter BATMAN denkbar?
Nicht für mich, nicht jetzt. Eher würde ich mich erdolchen als daran zu denken.
Welche drei Filme würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
(Lange Pause)…Bei diesen Fragen springt bei mir immer die Sicherung raus. Wissen Sie, woran ich dabei denken muß? Gibt es einen Videorecorder auf der Insel? Und woher kommt der Strom?‘ Mein Hirn geht da in ganz andere Richtungen los.