17. Februar 2000 | Süddeutsche Zeitung | Bericht, Berlinale | Berlinale 2000 (3)

Berlinale IV

Alles nichts oder?

Matthias Glasners „Fandango”

Alles fabelhaft modern hier: fast wie New York, beinahe wie Hongkong, ähnlich wie Paris. So wirkt das neue Zentrum um den Potsdamer Platz wie der deutsche Film: fast so attraktiv wie die Amerikaner, beinahe so bunt wie das Hongkongkino, ähnlich poetisch wie das französische Kino. Aber was in der Architektur noch hingehen mag, ist im Kino fatal; der kleine Unterschied ist immer schon eine ganze Welt. Das Dilemma liegt in jenem Fast, Beinahe und Ähnlich. Am Ende kommt ein Irgendwie heraus.

Es gab gute Gründe, sich auf Matthias Glasners „Fandango” zu freuen: Mit seinen „Mediocren” gehörte er zu den ersten Filmemachern, die einen neuen Ton spüren ließen und den Eindruck vermittelten, hier bekomme endlich einer mit, was um ihn herum vorgeht. Und der Nachfolger „Sexy Sadie” war verrückt und verspielt genug, um weitere Hoffnungen zu nähren. Nun also „Fandango”, in dem all jene mitspielen, die immer dabei sind, wenn der deutsche Film die Nase vorn haben will: Nicolette Krebitz, Moritz Bleibtreu, Richy Müller, Corinna Harfouch. Es geht um Drogen und Sex und Clubs und Models – aber so, wie das eben aussieht, wenn NRW fördert und die Bavaria mitproduziert. Jede Einstellung brüllt: Seht her, wie modern wir sind, wie verrufen, wie nah am Puls der Zeit. Tatsache ist, dass man sich vorkommt, wie in der Redaktionskonferenz einer Modezeitschrift, die darüber diskutiert, was man unternehmen müsste, um mit dem Zeitgeist Schritt zu halten.

Es geht um ein Mädchen, das um jeden Preis Model werden will. Weil aber zu viele Drogen im Spiel sind, für die einige Leute sehr viel zu tun bereit sind, kommt es, wie es kommen muss. Matthias Glasner mixt einen tödlichen Cocktail aus Zynismus und Poesie, in dem jede Zärtlichkeit ein Schlag ins Gesicht und jede Gewalttätigkeit ein Witz ist. Am Ende stimmt nichts mehr. Und das Ärgerlichste ist, dass die Art und Weise, wie hier Jugendkultur vorgeführt wird, im Grunde erzreaktionär ist. Rainer Kaufmann hat dieselben Fehler vor Jahresfrist in „Short Hello und Long Goodbye” gemacht – aber da hatte man wenigstens den Eindruck, der Regisseur weiß, was er tut. Hier muss man sagen: Glasner weiß nicht nur nicht, was er erzählen soll, er hat auch vergessen, wie er erzählen muss.

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