30. September 1995 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Walter Matthau

Immer schlechter Laune

Walter Matthau wird trotzdem 75

Auch Nichtstun ist eine Sache des Timings. Vielleicht mehr noch als alles andere. Walter Matthau hat nichts von all den Dingen getan, mit denen Schauspieler sonst auf sich aufmerksam machen, und es dennoch oder gerade deswegen geschafft. Er hat einfach sein Gesicht hingehalten. Was bei diesem Gesicht unleugbar ein gewisses Risiko ist, wenn man es zu etwas bringen will. Mittlerweile sind seine Züge natürlich schon so bekannt, daß die Leute lachen, wenn sie ihn nur sehen.

Das war nicht immer so. Die ersten zehn Jahre seiner Karriere spielte er Bösewichter und Harmlose, ehe er in Jack Lemmon jemanden fand, der seiner Normalität gewachsen war. Der Glückspilz war 1966 der Auftakt zu einer Reihe von gemeinsamen Filmen, deren Ende immer noch nicht abzusehen ist. Gerade stehen sie für die Fortsetzung von Grumpy Old Men zum siebten Mal gemeinsam vor der Kamera. Die beiden haben einander allemal verdient. Lemmon hat sich für seinen Teil bedankt, indem er mit seinem Widerpart den Film Kotch inszenierte, für den Matthau dann 1971 den Oscar bekam.
Wenn man als Walter Mataschanskayasky in die Welt hineingeboren wird, dann gibt es vermutlich keinen anderen Ausweg, als Schauspieler zu werden und sich einen Künstlernamen zuzulegen. Wüßte man es nicht besser, würde man meinen, Matthau sei der Beweis dafür, daß der Mensch vom Hund abstammt. Wobei immer klar ist, daß es schon sehr starke Ketten sein müssen, die ihn davon abhalten, den Nächstbesten zu zerfleischen. So läßt er es meistens bei einem Blick bewenden, der allerdings nicht weniger tödlich ist.

Walter Matthau hat die schlechte Laune hoffähig gemacht. Allein dafür gebührt ihm ein Platz in unserem Herzen. Nicht daß er damit bei Frauen sonderlich Erfolg gehabt hätte, aber in seiner Welt ist für Frauen ohnehin kein Platz. Es genügt ihm völlig, wenn er zum Baseball gehen, Poker spielen und Unordnung halten kann. Man muß ihm nur mal zusehen, wie er argwöhnisch von seinen Karten aufblickt, wenn Jack Lemmon in Ein seltsames Paar anfängt, in Matthaus Wohnung Ordnung zu machen. Da weiß man, daß er Chaos dringend nötig hat. Denn das ist die einzige Form des Ausdrucks, die er in seiner Ausdruckslosigkeit kennt.

Am Sonntag wird Walter Matthau 75. Er wird zu diesem Anlaß nach Lage der Dinge garantiert keine Miene verziehen. Es reicht, wenn der Rest der Welt lacht.
MICHAEL ALTHEN

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