27. Mai 1999 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Horst Frank

Der Hauch des Bösen

Der Schauspieler Horst Frank stirbt kurz vor seinem 70. Geburtstag

Ein Einstieg nach Maß: Im ersten Film, STERN VON AFRIKA, spielte Horst Frank einen Feigling. Im zweiten, HAIE UND KLEINE FISCHE, beging er Selbstmord. Im dritten, DER GREIFER, gab er den Mörder. So war das Ende der fünfziger Jahre, als das deutsche Kino auf Typen wie ihn angewiesen war, um sich den Anschein von Lebensnähe zu geben. Neben den alten Herren, die damals der Republik das Gesicht gaben, brauchte man ein paar unstete Charaktere, zwielichtige Typen, zweifelhafte Figuren, die für einen Hauch von Welthaltigkeit sorgten – denn das Böse ist immer international. Gesichter wie das von Horst Frank waren es, die den Deutschen begegneten, wenn sie in ihren Alpträumen in den Spiegel schauten.

Noch weiter zurück: Horst Bernhard Wilhelm Frank, so wird das im Archiv beschrieben, „wurde am 28. Mai 1929 in Lübeck als Sohn eines Porzellanmalers geboren. Er wuchs in Hamburg auf. Die Eltern trennten sich früh. Frank blieb bei der Mutter, die sich bald wieder verheiratete. ” Kurz und trocken. Man kann es sich vorstellen: Ein hübscher blonder Junge mit strengem Scheitel und klaren Augen, die bald mehr gesehen hatten, als einem Kind gut tut. Aber zum strammen Helden war er dann doch nicht geboren.

Wenn man sein Gesicht im Lauf der Jahre Revue passieren läßt, dann gewinnt man den Eindruck, daß Frank am Strahlemann nur knapp vorbeigeschrammt ist und in sein Rollenfach buchstäblich erst hineingewachsen ist: der Mund etwas sinnlicher geschnitten, als es einem Helden zukommt, der Kopf etwas kantiger, der Blick etwas wässriger – und auch die Furchen irgendwann zu tief, um als Heldengesicht durchgehen zu können. Stattdessen also ein Typ, dessen unbewegte Visage stets ein leichtes Bedauern auszudrücken schien, daß er den Menschen so viel Unrecht zufügen muß – ein eiskalter, aber von seinem Tun gezeichneter Engel.

Unser Mann fürs Genrekino, das in den sechziger und siebziger Jahren europaweit so seltsame, schillernde Blüten trieb: Krimis, Abenteuer, Western. Und Horst Frank war darin immer der Fiesling, mal als Drahtzieher, mal als Versager, aber immer auf der falschen Seite des Gesetzes. Damit hat er sich abgefunden, und davon hat er auch nicht schlecht gelebt. Allein die Titel muß man sich auf der Zunge zergehen lassen und bekommt schon einen Geschmack fürs Exotische: TREIBJAGD AUF EIN LEBEN, WEISSE FRACHT FÜR HONGKONG, DAS GEHEIMNIS DER CHINESISCHEN NELKE, DER FLUCH DES SCHWARZEN RUBINS, FÜNF VOR ZWÖLF IN CARACAS, DIE GOLDSUCHER VON ARKANSAS, DIE ENGEL VON ST. PAULI. Natürlich ist da viel Schund dabei, aber auf Horst Frank konnte man sich noch in den dunkelsten Plotten verlassen. Er war so cool, wie das in jenen Filmen und in jener Zeit eben möglich war. Er hätte, also, könnte man sagen, bessere Filme verdient gehabt.

Stattdessen eine späte Karriere im Fernsehen, vom KOMMISSAR über DERRICK bis TIMM THALER, natürlich festgelegt auf die Karikatur, aber auch so den anderen Dutzendgesichtern jederzeit überlegen – seine rauhe Stimme wird man ohnehin noch lange im Ohr haben.

Kurz vor seinem 70. Geburtstag ist Horst Frank gestorben. Seine Memoiren hießen: „Leben heißt leben”. Das war offenbar kein schlechtes Motto.

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