07. Februar 1994 | Süddeutsche Zeitung | Interview | Ken Adam

"Der Trend geht zurück ins Atelier"

Ein Gespräch mit Ken Adam, der die James Bond-Filme ausstattete

Auf dem Tisch liegt Ken Adams privates Photoalbum, in dem er noch vor dem Gespräch ein Photo von einem Modell eines Kaufhauses zeigt, das sein Vater einst in Auftrag gegeben hatte. ‚Wissen Sie, wer das entworfen hat?‘, fragt er stolz: ‚Mies van der Rohe.‘ Adam, der eigentlich Klaus hieß, hat selbst Architektur studiert und ist dann nach dem Krieg zum Film gegangen. Er hat sieben JAMES-BOND-Filme ausgestattet und für Barry Lyndon einen Oscar bekommen. Er wurde vorgestern 73, lebt zwischen London und Los Angeles, fällt vom Deutschen immer wieder ins Englische und hat ständig eine Zigarre im Mund. Michael Althen sprach mit ihm.

SZ: Selbst Leute, die nie ins Kino gehen, sind mit Ihren Arbeiten vertraut, weil sie mit den Spielzeugautos, die Sie für die BOND-Filme entworfen haben, groß geworden sind. Sind Sie damit reich geworden?
Adam: Schön wär’s. Ich werde Ihnen erzählen, wie das lief. Irgendwann habe ich meinem Agenten gesagt: ‚Ich will an den Umsätzen beteiligt werden.‘ Er war ganz meiner Meinung, verhandelte ewig hin und her und bekam schließlich die Zusicherung, daß ich mit einem kleinen Prozentsatz beteiligt werde. Es kamen also nach den Dreharbeiten die Leute vom Merchandising und nahmen meine Entwürfe mit. Als ich Ihnen sagte, wie ich mich freue, diesmal beteiligt zu werden, hieß es: ‚Wie kommst du denn darauf?‘ Ich rief also sofort den Produzenten an, um mich zu beschweren. Der sagte: ‚Du bist gefeuert.‘ Worauf ich ihm klar machte, daß er immerhin einen Vertrag unterschrieben hatte. Daraufhin versuchte man, mir die Rechte abzukaufen, für 25 000 Pfund. Meine Agent sagte: ‚Du bist verrückt. Dein Anteil beträgt mindestens 35 000 Pfund.‘ Also habe ich das Angebot nicht angenommen und auf meine Prozente gewartet. Nach einem Jahr kam tatsächlich ein Scheck – über 60 Pfund. Und wieder ein Jahr später noch einer – über 49 Pfund. Das ist eben das Film Business.
SZ: Bei Bond mußten Sie ja für die Tricks manchmal ganze Hallen bauen. Ist das durch die Computertechnik heute einfacher geworden?
Adam: Computer sind auch nur Hilfsmittel – die allein machen noch keinen Film. Die Tricks, mit denen wir jetzt in ADDAMS FAMILY II die abgetrennte Hand bewegt haben, waren dieselben wie vor zwanzig Jahren.
SZ: Aber dadurch, daß die Leute heute auf der Straße drehen, hat sich doch sicher einiges geändert.
Adam: Das stimmt. Junge Regisseure kennen die Atelierarbeit oft gar nicht. Sie haben Angst, daß da etwas entsteht, was sie nicht kontrollieren können. Andererseits ist das Drehen auf der Straße in Amerika mittlerweile so teuer geworden, daß der Trend zurück zur Arbeit im Atelier geht.
SZ: Sind die Regisseure heute denn anders als früher?
Adam: Die wirklich großen Regisseure, mit denen ich gearbeitet habe, wie Fellini, Truffaut, Kubrick, John Ford oder Joe Mankiewicz, die haben kein Ego-Problem gehabt. Das ist heute anders. Die jungen wollen alle Gott sein. In gewisser Weise sind sie es ja auch. Barry Sonnenfeld etwa hat nach nur zwei Filmen für die Regie von ADDAMS FAMILY II drei Millionen Dollar bekommen. Da muß man ja glauben, daß man die fürs eigene Können bekommt und nicht fürs Teamwork mit anderen. Da ich das verstehe, versuche ich, mich im Hintergrund zu halten.
SZ: Führt das nicht dazu, daß Ihr Berufszweig langsam ausstirbt?
Adam: Das sicher nicht, aber bestimmte Talente schon. Als wir 1981 PENNIES FROM HEAVEN drehten, einen Film im Stil der großen alten Musicals, wollten wir eine dieser spiegelnden Tanzflächen wie bei Fred Astaire und Ginger Rogers in FOLLOW THE FLEET. Ich wußte, daß das nicht leicht sein würde, aber ich hatte einen jungen Konstruktionschef, der sagte: ‚Keine Sorge. Das kriegen wir schon hin.‘ Nachdem die Fläche zu einem Drittel fertiggestellt war, erinnerte sie eher an ein Wellblechdach als an Astaire. Wir haben dann alles aus einem marmorartigen Stein gemacht, der zwar glatt war, aber auch viel zu hart für die Tänzer. Obwohl dies immerhin bei MGM war, gab es keinen Menschen mehr, der sich an die Technik erinnerte, mit der die Studios früher die Tanzflächen so makellos hingekriegt haben. Das ist schon eine große Tragödie.

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