10. Oktober 1985 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Daheim sterben die Leut

Drei Ave Maria und drei Vater Unser

DAHEIM STERBEN DIE LEUT - eine Allgäuer Heimatkomödie

Im Allgäu glaubt man noch an Wunderheilung und anderen Hokuspokus. Weil aber nicht einmal der liebe Gott etwas umsonst macht, lassen sich die Allgäuer ihre Wunder etwas kosten: Drei Ave Maria und drei Vater Unser sind unter einem Blauen nicht zu haben und bescheren vor allem dem Gesundbeter eine volle Geldschublade. Mit der Leute gutem Glauben und ihrer Einbildungskraft läßt sich allemal eine Menge Geld verdienen – nicht zuletzt das Kino führt es uns immer wieder vor.

Auch Kommunalpolitik ist, so zeigt es DAHEIM STERBEN DIE LEUT, oft nur fauler Zauber. Es geht um zentral verordneten Fortschritt, eine Fernwasserleitung soll gebaut werden; auch dorthin, wo bereits Wasser aus natürlicher Quelle existiert. Für den Herrn Landrat gilt es also, die Pflege seines fortschrittlichen Images als Sorge ums Allgemeinwohl zu verkaufen. Daß (Fortschritts-)Glaube blind macht, führt der Film in einer simplen Fahrt vor. Darin folgt die Kamera dem ersten Glas Wasser aus der neuen Leitung, wie es von Hand zu Hand weitergereicht wird. Man sieht nach jedem Kosten das beifällige Nicken der Honoratioren, aber auch, daß in dem Glas nur braune Brühe schwimmt. Doch keiner verliert ein Wort darüber. Womit die beiden Regisseure Klaus Gietinger und Leo Hiemer beweisen, daß sie von der Komödie mehr kapiert haben als die meisten deutschen Möchtegerns.

Im Zentrum des Films steht der Bauer Hans Allgeier, ein Aufständischer wider Willen, der sich mit der Mistgabel gegen den Anschluß an die Wasserleitung zur Wehr setzt. Auf Befehl von oben wird ihm der eigene Brunnen zugeschüttet. Als sich der Querulant weiterhin widersetzt, wird er „auf Kaufbeuren“ gebracht, in die Klapsmühle. Aller bitteren Satire und scharfzüngigen Kritik zum Trotz ist DAHEIM STERBEN DIE LEUT ein liebevoller Heimatfilm, voller Sympathie für das Allgäu und seine Leute. Eine Distanz und Nähe zugleich, die sich wohl aus den städtischen Studienjahren der beiden Allgäuer Regisseure speisen mag.

Dieses von der bereits in sechs Filmen erfahrenen Westallgäuer Filmproduktion produzierte Stück Regionalkino besticht insbesondere durch sein sorgfältiges Drehbuch, das allen Figuren zu ihrem Recht verhilft, ohne über ihrer Vielzahl die Geschichte aus den Augen zu verlieren. Dabei machen es Gietinger und Hiemer sich nicht leicht, denn ihre Kritik an den Zuständen, die sämtlich auf realen Vorkommnissen basieren, bleibt zu jedem Zeitpunkt bissig und ungemütlich. Ihr Anliegen verstellt ihnen jedoch nie den Blick, sie wahren inmitten der Obrigkeitshörigkeit und Bigotterie die Sympathie für ihre Figuren.

Verärgert reagierten, als der Film durch die Vorführsäle def Provinz zog, nur eine Vertreterin der katholischen Frauenvereinigung und ein örtlicher Heimatpfleger. Da erübrigt sich die Frage, bei wem man die Heimat lieber in Pflege gibt.

(In München im Cinema.)

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