05. April 1986 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Gregory Peck

Der Schöne im grauen Flanell

Gregory Peck wird siebzig

Der boshafteste Kommentar stammt natürlich von Hitchcock. Auf Gregory Pecks Frage, wie ereine bestimmte Szene spielen solle, wies er ihn an, sein Gesicht einfach von jeglichem schauspielerischen Ausdruck zu befreien; man würde ihn dann schon richtig photographieren. Aber Hitchcock konnte Männer, die schöner waren als er – das waren die meisten -, ohnehin nie recht leiden. Und Gregory Peck war um 1950 vielleicht der Schönste von allen. Der streng präzise und zugleich empfindsam weiche Schnitt seines Gesichtes machte ihn zum Ideal des aufrechten Amerikaners und des romantischen Helden, wie man es auf dem Reißbrett kaum besser hätte entwerfen können. Auch später, als er eher Integrität als Romantik ausstrahlte, sah er ungewöhnlich gut
aus. Daran hat sich selbst heute, mit siebzig Jahren, nichts geändert.

1916 in Kalifornien geboren, ging er 1939 nach New York, wo er als Fremdenführer im Rockefeller Center und als Photomodell arbeitete, ehe er auf dem Broadway zum gefragten Darsteller jugendlicher Liebhaber wurde. Schon mit seiner zweiten Rolle in SCHLÜSSEL ZUM HIMMELREICH, wo er einen Missionar im Alter von 18 bis 80 spielte, wurde er für den Oscar vorgeschlagen. Trotzdem war der Hollywood-Mogul David 0. Selznick von den Probeaufnahmen nicht sonderlich angetan, vermißte auf der Leinwand Ausstrahlung und erkannte lediglich eine gewisse Ähnlichkeit mit Abraham Lincoln. Diese Rolle durfte Peck vor kurzem erst in der Fernsehserie DIE GRAUEN UND DIE BLAUEN spielen.

Weil nach dem Krieg romantische Filmhelden rar waren, bot man ihm dennoch einen Vertrag an. Tatsächlich, erinnerte sich Selznick, konnten wir erst nach drei oder vier Szenen die anwesenden Damen davon abbringen, Oh! und Ah! auszurufen. Das war an der Seite von Ingrid Bergman in dem Hitchcock-Film ICH KÄMPFE UM DICH, wo Peck einmal sagt „Etwas verfolgt mich. Ich kann aber nicht erkennen, was.“ So war es meistens. In seinen Augen konnte man ein Geheimnis vermuten, einen verborgenen Bruch in seiner Persönlichkeit. Für diese Qualität setzte ihn Hollywood als Hemingway-Helden in DIE AFFÄRE MACOMBER und SCHNEE AM KILIMANDSCHARO ein, oder in DER FALL PARADINE, als verheirateten Anwalt, der sich heillos in seine mörderische Mandantin verliebt. Zumeist hat er dafür vernichtende Kritiken erhalten. Dafür war er wie Rock Hudson beim Publikum als Identifikationsfigur außerordentlich beliebt. Ihr mangelndes schauspielerisches Talent machten die beiden durch handwerkliche Professionalität und enormen Fleiß wett. Um so größer war die Genugtuung für Peck, als er nach vier Nominierungen 1984 für WER DIE NACHTIGALL STÖRT einen Oscar erhielt.

Völlig gegensätzlich war Peck in DUELL IN DER SONNE besetzt, wo der nach den Worten des Regisseurs Charles Vidor „an sich prüde und unbewegliche Typ“ den lüsternen und verkommenen Schurken Lewt spielte, der in einer zensierten Szene gar Jennifer Jones vergewaltigte.

Privat hat er immer seinem gewohnten Rollenbild entsprochen. Irgendwer nannte ihn mal den nettesten, aber auch langweiligsten Mann Hollywoods. Er hat also nicht von ungefähr 1956 die Titelrolle in DER MANN IM GRAUEN FLANELL gespielt. Was soll’s: Auch heute, an seinem Geburtstag, haben wir ihn vor allem als Reporter mit Audrey Hepburn in EIN HERZ UND EINE KRONE im Gedächtnis. Da haben wir alle geheult.

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