24. März 2001 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Bill Hanna

Wiiilmaaa!

Bill Hanna, Schöpfer der FAMILIE FEUERSTEIN, ist tot

Man braucht nicht zu glauben, unser Bild von der Welt sei allen Ernstes von Philosophen, Literaten oder Tagesschau-Sprechern geprägt worden. Denn bevor wir mit irgendetwas anderem in Berührung kamen, war im Grunde schon alles in groben Zügen vorgezeichnet – von Leuten namens Hanna und Barbera, die zwar weder die Weltkunst im Allgemeinen, noch die Zeichentrickkunst im Besonderen vorangebracht haben, aber einen Riecher dafür hatten, dass ein „Yabbadabbadu!” ausreicht, um wesentliche Charakterzüge des Menschen auf den Punkt zu bringen.

Bill Hanna und Joe Barbera waren die Schöpfer der Flintstones, die bei uns Familie Feuerstein heißen, und was sie uns damit eingepflanzt haben, ist eine gewisse Allgemeingültigkeit menschlicher Verhaltensweisen. Wenn unser Leben auch heute noch in weiten Teilen einer amerikanischen Familienserie aus den 50-er Jahren gleicht, dann liegt das daran, dass Hanna und Barbera der Welt einimpften, dass schon zu Steinzeiten die Frauen das Sagen hatten und den Männern nichts blieb, als immer wieder über die Stränge zu schlagen, um dann reumütig an den heimischen Herd zurückzukehren: „Wiiilmaaa!”

Was die Feuersteins für die Vergangenheit waren, das waren Die Jetsons für die Zukunft: Statt eines Dinosauriers hatten sie einen Roboter als Haustier, sonst blieb alles beim Alten. Dass sich am Lauf der Dinge nichts je ändern würde, war für anspruchsvollere Gemüter ein harter Schlag, aber es hatte für Kinderherzen durchaus auch etwas Tröstliches: Die vier Eckpfeiler der Welt würden auf immer und ewig Vati, Mutti, Kind und Hund sein.

Flintstones und Jetsons waren allerdings bereits der Anfang vom Ende der klassischen Animationskunst: handliche Fernsehformate, die keinen Zeichner vor Probleme stellten – und Hanna und Barbera gehörten zu denen, die früh genug erkannt hatten, wo die Zukunft liegt, nachdem MGM in den 50-ern seine Zeichentrickabteilung zumachte. Dort sind die beiden – der Ingenieursstudent Hanna und der Banklehrling Barbera – groß geworden, hatten in den 30-ern bei Harman und Ising angefangen, ehe sie 1937 zu MGM gingen. 1943 gewannen sie für Yankee Doodle Mouse, bei uns Tom und Jerry, ihren ersten Oscar, insgesamt wurden es sieben in zehn Jahren – ein Rekord, der selbst Disney nie gelang, obwohl die Maus Jerry nie so berühmt wurde wie Mickey Mouse.

Wenn von Animation geredet wird, dann werden meistens die verrückten Cartoonisten von Warner Brothers gepriesen, dabei sind die ewigen Katz-und-Maus-Jagden von Tom und Jerry kleine Meisterwerke, was Zeichnung, Gags und Timing angeht. Es heißt, William Hanna sei der Mann für Timing und Atmosphäre gewesen, Joseph Barbera sei für Gags und Story zuständig gewesen. Jetzt ist Hanna im Alter von 90 Jahren in Hollywood gestorben – dass der 89-jährige Barbera alleine zurückbleibt, ist ein wenig so, als hätte man Tom und Jerry getrennt.

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