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25. Januar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Porträt | Gene Hackman

Der Mann, der nie wirklich jung war

Einer der größten amerikanischen Schauspieler hat seinem Land auf der Suche nach sich selbst ein Gesicht verliehen

Als er vor einiger Zeit interviewt wurde – nicht von irgendeinem großen Blatt, sondern vom „Raleigh News & Observer“ -, sagte Gene Hackman, er habe aufgehört zu arbeiten, weil er es nicht überziehen und riskieren wolle, sich auf ungute Weise zu verabschieden. Und: Er fühle sich ganz wohl mit dem, was er gemacht habe.

Abgesehen davon, dass man ihn genauso eingeschätzt hat, dass er ein Mann ist, der weiß, wann es Zeit ist, aufzuhören, fällt einem an diesem Satz, der immerhin von einem der größten Schauspieler seiner Generation kommt, zweierlei auf: Wie sehr er einer Haltung entspricht, die auch seine besten Filme verkörpern. Und wie überrascht man ist, wenn man realisiert, dass seine letzten Auftritte schon am Anfang des Jahrtausends lagen, 2003 DAS URTEIL, 2001 IM FADENKREUZ und vor allem THE ROYAL TENENBAUMS. Nichts von dem verzweifelten Aufbäumen gegen das Vergessen in Fernsehserien oder TV-Movies, mit dem sonst Filmographien ins Unvermeidliche verlängert werden, sondern lauter Rollen, die einem noch vor Augen stehen. Man erschrickt eher darüber, wie man jemanden noch für so präsent halten konnte, der uns schon so lange abhandengekommen ist. In den Neunzigern noch jedes Jahr zwei Filme, davon jeweils mindestens einer gut – darunter den Nebenrollen-Oscar für den erbarmungslosen Sheriff in Eastwoods UNFORGIVEN. Aber vielleicht rührt dieser Eindruck einer gewissen Alterslosigkeit auch daher, dass wir Gene Hackman nicht wirklich jung kennen.

Als mit dem Film FRENCH CONNECTION 1971 sein Durchbruch kam, war er immerhin schon über vierzig (davor war er vor allem Warren Beattys Bruder in BONNIE & CLYDE gewesen) – und danach kamen noch sechzig Rollen in dreißig Jahren. Von den Segnungen der Jugend und den damit verbundenen Anziehungskräften lebte seine Karriere also nicht – das Besondere an ihr war allerdings, dass Hackman nicht einer jener Charakterdarsteller wurde, die den Stars den Steigbügel halten, sondern selbst ein Star.

Sein Popeye Doyle war der New Yorker Cop in Reinkultur, ein irischer Hitzkopf, der kein Leben jenseits seines Jobs kennt und auch unter Bullen als so unmöglich gilt, dass selbst sein Kumpel Sonny nur zu ihm hält, weil das sonst keiner tut. Friedkins Film lebt auch davon, dass er Hackmans nervöse Energie durch eine Polizeiroutine in Schach hält, die aus stundenlangem, ereignislosem Warten und Beschatten besteht, ehe sie sich explosiv entladen kann. Hackman dabei zuzusehen, wie er sich geduldig zum Ausharren zwingen muss, ist allein schon ein Ereignis, das ihm völlig zu Recht seinen ersten Oscar einbrachte. Umso erstaunlicher ist es, dass Gene Hackman über diese Rolle später sagte, gerade die gewalttätigen Ausbrüche seien ihm so schwer gefallen, dass sie noch mal nachgedreht werden mussten, und bei der Szene, in der sie Drogendealer in Harlem filzen mussten, sei er froh gewesen, dass sie alle von Polizisten gespielt wurden, so sehr hätte ihn die Szenerie eingeschüchtert.

Doyle ist natürlich der Typ, der aus Fehlern nie klug wird, und so blieb noch genügend Gestaltungsspielraum für FRENCH CONNECTION II, in dem der Dickschädel nach Marseille kommt, wo keiner auf ihn gewartet hat und er wie ein Fisch auf dem Trockenen ist. Die Szene, wo er sich in seiner Einsamkeit über ein paar Gläsern Whiskey mit einem französischen Barmann verbrüdert, der kein Wort versteht, gehört zum Lustigsten und Traurigsten, was Hackman gespielt hat. Und wenn er nicht schon für den ersten Teil einen Oscar gewonnen hätte, wäre er spätestens für den qualvollen Drogenentzug fällig gewesen, den er im zweiten Teil durchmacht.

Dazwischen lagen immerhin Filme wie Coppolas THE CONVERSATION (DER DIALOG) und Arthur Penns NIGHT MOVES (DIE HEISSE SPUR). Einmal ist er der saxophonspielende Abhörspezialist Harry Caul, der über seiner Arbeit paranoid wird – und es brauchte schon jemanden wie Hackman, um aus diesem unscheinbaren Mann mit Schnäuzer, der sich mit seiner Plastikregenhaut gegen einen imaginären Regen zu schützen scheint, eine Figur zu machen, die einen ganzen Film trägt. Das andere Mal ist er der Privatdetektiv Harry Moseby, der ein verschwundenes Mädchen in Florida aufstöbern muss, während ihm gerade die eigene Ehe zerbricht – womöglich seine größte Rolle, bei der er in Abgründe blickt, auf die er mit Härte reagieren muss, obwohl er gerade verletzlich wie nie ist.

Gene Hackman hat diesem Land auf der Suche nach sich selbst wie kaum ein anderer ein Gesicht verliehen, konnte Macht und Ohnmacht, Härte und Zweifel gleichermaßen spielen, und da muss man auch nicht traurig sein, wenn er nun beschlossen hat, nicht mehr zu arbeiten. Sondern man kann sich mit ihm und seinem Gesamtwerk wohl fühlen. Am kommenden Samstag wird Gene Hackman achtzig Jahre alt.

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