04. September 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Liegen lernen

Verwinde deine Jugend

Unterhaltungen deutscher Ausgespannter: Hendrik Handloegten verfilmt Frank Goosens Roman LIEGEN LERNEN

Gegen den Film kann man nichts sagen. Er ist wie das Buch. Man unterhält sich gut und weiß bald nicht mehr, warum. Womöglich ist es genau das, was LIEGEN LERNEN mit den achtziger Jahren gemeinsam hat. Es ging um nichts, man wollte sich bloß gut unterhalten, und daß ausgerechnet in diesem Jahrzehnt am Ende die Mauer fiel, war der reinste Witz. Eine Art Geschenk der Geschichte, das vom deutschen Kino nun mit einiger Verspätung freudig in Empfang genommen wird. Auf GOODBYE, LENIN! folgt nun LIEGEN LERNEN und demnächst HERR LEHMANN, und in keinem der Fälle löst der Fall große Begeisterung aus. Gerade im Westen wissen die Helden kaum etwas mit der frohen Botschaft anzufangen, und als sie begriffen haben, was passiert ist, ist es allenfalls Anlaß zu einer etwas größeren Party. Unter Umständen ist dieser Gleichmut nicht das schlechteste Verhältnis zur Geschichte.

Was dem neueren deutschen Kino die sogenannte Beziehungskomödie war, ist nun abgelöst worden durch die Komödien der Beziehungslosigkeit. Ob in SOLOALBUM, VERSCHWENDE DEINE JUGEND oder nun in LIEGEN LERNEN, immer geht es um junge Männer, die von Bindungsängsten getrieben werden. Das ist nett anzusehen, und die Filme mühen sich redlich, ihren Geschichten eine Moral zu verleihen, aber das Dilemma bleibt dasselbe. Es ist nicht so sehr das Problem, daß es um nichts ginge, sondern daß sie nie dorthin gehen, wo es weh tut. Natürlich steht schon mal einer im Regen, wenn ihn die schwangere Freundin als Feigling und Penner vor die Tür gesetzt hat; aber das ist dann auch schon alles.

Im Falle von LIEGEN LERNEN löst diese Situation den Flashback aus, der den Helden Helmut zur Rückschau bewegt, bei der er seiner Beziehungsangst auf die Spur zu kommen versucht. Man kann nicht behaupten, daß der Film eine befriedigende Antwort fände. Er zeigt einen jungen Mann, der es nicht verwinden kann, daß er von seiner Jugendliebe sitzengelassen wurde, und durch diverse Beziehungen stolpert, die er aus Gleichmut oder Triebhaftigkeit beginnt, ohne je wirklich mit dem Herzen dabeizusein. Es muß also erst in den Wirren des Mauerfalls die Illusion von einst zerplatzen, ehe der Mann bereit ist zur großen Läuterung. Im deutschen Film heißt das, daß er sich mit Frau und Kind in seiner Heimatkleinstadt niederläßt.

Das klingt bitterer, als der Film tatsächlich ist, weil er auf diesen Lebenslauf durchaus mit Ironie blickt und dabei sogar einigen Charme entwickelt. Vor allem Fabian Busch schafft es, als Helmut seiner Passivität eine fast leuchtende Unschuld abzugewinnen, sich durch die Frauengeschichten treiben zu lassen und doch der Motor des Films zu bleiben. Aber auch Susanne Bormann, Fritzi Haberlandt, Sophie Rois, Anka Sarstedt und Birgit Minichmayr sind als Gespielinnen ziemlich gut besetzt, auch wenn sie selten mehr sind als Platzhalter für bestimmte Frauentypen, denen die Komödie nicht mehr Raum läßt als nötig.

Vielleicht ist den Achtzigern ja tatsächlich nicht mehr abzugewinnen als das wohlige Erschaudern beim Wiedererkennen bestimmter Rituale und Utensilien, denen hier mit ungleich mehr Detailliebe nachgespürt wird als in entsprechenden Fernsehshows. Der Regisseur Hendrik Handloegten hat schon in seinem Erstling PAUL IS DEAD ein Talent fürs Atmosphärische gezeigt. Auch hier werden die Halstücher und das Teetrinken, die Schülergruppen für Nicaragua und Wortungetüme wie Natodoppelbeschluß vom Erzähler eingebettet in einen melancholischen Rückblick, der von einem großen Nachholbedarf zeugt, aber auch nicht so recht weiß, woher dieser eigentlich rührt. Außer von einem verstärkten Bedürfnis, sich der eigenen gelebten Geschichte zu versichern.

Als das amerikanische Kino die achtziger Jahre wiederentdeckte, sorgte das jedenfalls für so etwas wie ein Revival. Hierzulande ist das Jahrzehnt allenfalls für ein Schmunzeln gut.

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