14. Oktober 1995 | keine Angabe | Das Kino bittet zu Tisch, Filme | Das Kino bittet zu Tisch

Das Kino bittet zu Tisch - Essen im Kino

TV-Dokumentation, 30 Minuten. Regie und Buch: Michael Althen.

Von Kindesbeinen an hat das Kino gekleckert und gesabbert. Keine gute Sitte und keine weiße Weste ist ihm heilig geblieben. Von Chaplins Brötchentanz bis zu den Tortenschlachten ist die Komödie immer da in ihrem Element, wo sie lustvoll mit den Tabus aufräumen kann. Buñuel hat in einem Film über den „Diskreten Charme der Bourgeoisie“ alle gesellschaftlichen Konventionen an der Tafel als fadenscheinig entlarvt. Große Aufmerksamkeit wendet das asiatische Kino dem Ritual der Zubereitung zu; das Essen selbst kann zelebriert werden wie ein Theaterstück, das sich an Opulenz und Luxus berauscht. Nach dem Bett wird „Das große Fressen“ als ein durchgängiges Kino-Motiv mit vielerlei Beispielen in den Blick gerückt. Das Kino bittet zu Tisch und macht Appetit auf mehr …

Erstausstrahlung im WDR-Fernsehen am 14. Oktober 1995.

Ausgezeichnet mit dem Adolf-Grimme-Preis 1996

Begründung des Grimme-Instituts:

Ein Adolf-Grimme-Preis geht an Helmut Merker (Konzeption und redaktionelle Betreuung, stellvertretend für die Autoren Angelika Wittlich, Michael Althen und Rainer Gansera sowie die Filmredaktion des WDR für „Faszination Kino“ (WDR).

Centenarien wie überhaupt Jubiläums- und Gedenkanlässe sind so eine Sache im Fernsehen: Da vertraut man gerne auf die Macht der Archive, einen geschmeidigen Kommentar und damit hat sich meist die Sache.

Es gibt allerdings Ausnahmen, und eine davon ist besonders rühmlich. Im Rahmen der Festivitäten „100 Jahre Kino“ hat die Filmredaktion des WDR – neben anderen herausragenden Produktionen – eine Mini-Serie mit dem Titel „Faszination Kino“ vorgelegt. Klug wurde das Material unter drei Perspektiven zusammengestellt: Die erste gilt dem Verhältnis von „Kino und Mode“ – das Kino als Laufsteg, als Ort der textilen Illumination und Verführung. Die zweite stellt die Kamera in Betthöhe. „Kino im Bett“ behandelt die Grenzen der Darstellung des Körperlichen, die Annäherung und Umspielung von Tabus. Die dritte Perspektive schließlich gilt einem weiteren Topos filmischer Erzählungen: In „Kino und Essen“ bittet das Kino zu Tisch – und vergessen wird, was auf den Tisch kommt.

Die Reihe zeichnet aus, dass ihre profunde und stupende Kenntnis der Filmgeschichte nicht einschüchternd ausgestellt sondern elegant und spielerisch genutzt wird: Aus Vordergründigem wird ein kluges Theorem, Bekanntes wird in neue Zusammenhänge gestellt – und im Fazit erfährt der Zuschauer beste Belehrung und Unterhaltung. So gut kann Fernsehen sein, wenn es seine Ressourcen an Intelligenz und Material ernst nimmt – und den Zuschauer natürlich auch.