07. Oktober 1988 | Die Zeit | Filmkritiken, Rezension | Red Heat

RED HEAT von Walter Hill

Alles wird zum Zeichen

Directed by Walter Hill: Das Insert liegt über einem Moskauer Denkmal für Karl Marx. Das hat sich Hill, der überraschend eine begrenzte Drehgenehmigung in der Sowjetunion erhielt, nicht verkneifen können. Denn als Regisseur weiß er, daß man die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen muß, indem man ihnen ihre eigene Melodie vorspielt.

In gewisser Weise, sagt Hill, seien heutzutage nur noch remakes altbekannter Geschichten möglich. Dabei begreift er das durchaus als Vorteil. Weil er aussparen kann, was sich von selber versteht, bleibt mehr Raum für die Variation. Der Erstarrung in den Genres arbeitet er entgegen, indem er ihre Elemente neu zusammensetzt. Komposition ist alles bei Hill, die Emotionen entspringen dem Rhythmus: in DRIVER wie in DIE LETZTEN AMERIKANER, in NUR 48 STUNDEN wie in STRASSEN IN FLAMMEN. Seine Geschichten wurden durch diese Methode immer abstrakter, immer nebensächlicher auch. Seine Plots entwirft er zunehmend nach Gesichtspunkten der Ballistik: Wieviel Durchschlagskraft braucht man am Anfang, um die Geschichte bis ins Ziel zu transportieren? Die Oberflächen, Formen und Farben sind Reibungsflächen; die ungeheuren Kräfte, die sich an ihnen vorbeibewegen, bringen sie zum Glühen: RED HEAT.

Ein russischer Polizist kommt nach Chicago und jagt dort zusammen mit einem amerikanischen Polizisten einen georgischen Drogenhändler. Mehr ist an dem Plot nicht dran. Die nötige Wucht erhält er dadurch, daß beide Polizisten durch den Drogennng ihre besten Partner verlieren. Wie sich der Ami und der Russe aneinander reiben, wie ihre Auffassungen aufeinanderprallen und wie sie sich zusammenraufen, das ist die Story. Hill holt aus ihr nicht mehr heraus als nötig. schichte wie das, was er erzählt. Die beiden Rhythmen überlagern sich zu einem stampfenden Beat, Schlag für Schlag.

Früher wollte Walter Hill Comic Zeichner werden, statt dessen begann er mit dem Drehbuchschreiben. Dabei hat er seine Figuren entgegen den Gepflogenheiten nie mit Erklärungen oder Vergangenheit ausgestattet. Psychologische Motivation und Charakterisierung überhaupt sind ihm ein Greuel. Was es über seine Figuren zu wissen gebe, sagt Hill, erfahre man, indem man ihnen zusehe. Was man sieht: Scharf konturierte Flächen – und wie sie sich in Bewegung verformen. Darüber hinaus scheint Hill nichts mehr zu interessieren. Der Reiz von RED HEAT beschränkt sich wie schon in seinem vorigen Film AUSGELÖSCHT ganz auf dieses abstrakte Spiel mit der Reduktion. Was den Film für Zuschauer dennoch so abenteuerlich macht, ist die Tatsache, daß Hill damit an die Extreme seines Erzählens vorstößt. Alles wird zum Zeichen. Und selbst in der Bewegung bleiben die Konturen scharf. Es ist der Traum des ComicZeichners: eine Geschichte ganz in Oberflächen aufzulösen.

Arnold Schwarzenegger spielt den russischen Pölizeioffizier Ivan Danko. Er ist Hills Star. James Belushi als Chicagoer Cop Ridzik ist nur die Folie, vor der sich Schwarzenegger besser abheben kann – im besten Sinne.

Was man hört: Ivan Danko schaltet im Hotelzimmer den Fernseher ein, es läuft ein Porno. Danko schüttelt den Kopf: „Kapitalism Danko wird von Chief Donnelly befragt, wie man denn in Rußland das Streßproblem bewältige. Danko antwortet: „Vodka Danko will eine Gruppe georgischer Drogendealer verhaften. Die fragen empört, warum immer die Georgier die Buhmänner sein sollen, warum man sie seit Jahrzehnten verfolgt und verdächtigt. Danko zögert. Dann reißt er einem von ihnen das hohle Holzbein vom Knie und schüttet das weiße Pulver auf den Boden. Danko sagt: „Kokainum Mehr sagt Danko nie. Die pure Evidenz ist seine Welt. Aber er weiß, daß das heutzutage eigentlich nur ein Witz sein kann. Das macht ihn beinahe witzig. Den Oberflächen kann man bei Hill fast blind trauen. Arnold ist ein Monolith wie aus Stanley Kubricks 2001 – er verweist nur auf sich selbst. Der ideale Held für Walter Hill. Kubrick sagte einmal: „Es gibt eine Ästhetik der Maschine. Die Maschinen sind schön, sie riechen gut. In der Raumfahrttechnik sagen die Zeichner von einem Raumschiff sogar, es sei sexy.“

Schwarzenegger war der Terminator bei James Cameron – eine perfekte Killermaschine in Menschengestalt. Die Franzosen nennen ihn mittlerweile liebevoll „Schwarzie“ -in Amerika gehört sein Akzent zu den am meisten imitierten, und auch hierzulande zerstreuen sich langsam die Bedenken. Schwarzenegger ist ein Kinoheld für unsere Zeit — die sexy Maschine, die Erotik des High Tech.

Mit 19 ist er nach Amerika gegangen, fünf Jahre später wollte er seine erste Million zusammenhaben. Er hat es geschafft. Schwarzie ist der amerikanische Traum, der seine Konstruktion offen zur Schau stellt. Wie er an seinen Muskeln gearbeitet hat, so hat er auch seine Personality geformt. Er macht kein Hehl daraus, daß er gemacht ist. Es gibt ein Bild von ihm, da liegt er mit Zigarre in einer überschäumenden marmornen Badewanne zwischen Orchideen, Schwertlilien und goldenen Armaturen. Der Glamour als Konstruktion. Das Kino als Maschine. So sieht RED HEAT aus — im besten Sinne.

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