27. Oktober 2001 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Mondscheintarif

Cora flennt

Viel zu hübsch: Ralf Huettners Film "Mondscheintarif"

Wie nennt man das, wenn man sich neunzig Minuten lang ganz gut amüsiert und trotzdem hinterher den Eindruck hat, dafür hätte man nicht ins Kino gehen müssen? Das nennt man deutschen Film. Und wie nennt man das, wenn ein Film neunzig Minuten lang so aussieht, als würde er für sich selbst Werbung machen? Das nennt man genauso. Womit vor allem gesagt sein soll, daß es an Ralf Huettners Verfilmung von Ildikó von Kürthys Bestseller „Mondscheintarif“ nicht viel auszusetzen gibt, außer daß er letztlich alles falsch macht, weil er alles richtig machen will. Man schmunzelt in diesem Film in einem fort – so wie man das bei besseren Werbeeinblendungen tut. Das klingt verheerend, ist es aber gar nicht. Denn die meisten deutschen Filme kranken ja daran, daß sie sogar hinter das Niveau von Werbeclips zurückfallen. Dieser kann sich spielend mit der nächstbesten Audi- oder Espresso-Werbung messen. Das muß man nach Lage der Dinge schon als Errungenschaft feiern.

Es geht um den Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe, zwischen gutem Sex und dem, was man ein Leben zu zweit nennt, um jene bangen Momente also, die den Spaß vom Ernst trennen. Im Grunde ist das das Thema jedes besseren Liebesfilms, nur daß MONDSCHEINTARIF daraus auf dieselbe Weise ein Thema macht, wie das Frauenzeitschriften tun. Der große Single-Report: Was tun, wenn er nach dem ersten Mal nicht anruft? Und frei nach amerikanischer Denkungsart lautet das Motto: What you feel is what you get. Wenn dir zum Fliegen zumute ist, dann schwebst du tatsächlich durch die Luft. Und wenn sich der Boden auftun sollte, dann tut er das auch. Der Film ist so verrückt, wie es der deutsche Film immer schon mal sein wollte – nur daß die Werbung mittlerweile in der Regel noch ein Stück verrückter ist.

Daß Ralf Huettner Filme machen kann, weiß man seit längerem. Das Problem ist nur, daß man seit dem „Mädchen mit den Feuerzeugen“ immer darauf wartet, daß er das Versprechen endlich einlöst. Das ist mehr als zehn Jahre her. Seither hat er sich mit Filmen wie DER PAPAGEI oder DIE MUSTERKNABEN zu jener Art von Konfektionär entwickelt, die das deutsche Kino so dringend brauchte, wenn es eine echte Kinolandschaft gäbe. Gibt es aber nicht – und deswegen ist auch MONDSCHEINTARIF wieder nur jene Art von Versprechen, auf die man hierzulande schon längst nichts mehr geben darf. Film heißt eben nicht nur, die Erwartungen zu erfüllen – das besorgt schon das Fernsehen -, sondern uns etwas zu erzählen, womit wir nicht gerechnet haben. Das ist das eine.

Das andere wäre, daß Gruschenka Stevens als hoffnungslos verliebte Heldin Cora Hübsch genau jene Art von Hingabe zeigt, die dem Film abgeht. Sie ist keineswegs nur hübsch, sondern auf den Punkt genau liebenswert und glaubwürdig. Das gilt für Jasmin Tabatabai in der Rolle der besten, lebensweisen Freundin ohnehin. Und auch Tim Bergmann spielt seine Rolle so überzeugend wie nötig. Selten hat man deutsche Schauspieler so entspannt und mit Vergnügen bei der Sache gesehen wie diese drei. Und doch hat man immer den Eindruck, daß es eigentlich um nichts geht. So als würde man einen jener Fragebögen ausfüllen, mit denen Frauenzeitschriften unserem Liebesleben auf die Spur zu kommen versuchen. Man kann versuchen, ehrlich zu sein – man kann aber auch lügen. Es macht keinen Unterschied.

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