14. Juli 1986 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Die Karrierefrau

Ein ganz normales Leben

DIE KARRIEREFRAU: Ein Film von Martha Coolidge

Ein amüsanter Abend, ein katastrophales Geschäftsessen. Muffige Menschen, ein bißchen gute Laune. Ein flotter Dreier, eine mißhandelte Freundin. Gelungene Photos, ein ernüchternder Quickie. Die kanadische Regisseurin Martha Coolidge ist weniger am Plot interessiert als an Situationen, Stimmungen und Launen. Die Handlungsfäden sind sparsam ausgelegt. Personen tauchen auf und verschwinden wieder. Man trifft sich, verliert sich und läuft sich wieder über den Weg. Der Film erzählt seine Geschichten eher beiläufig, fast wie im richtigen Leben.

Anne (Laura Harrington) ist Photographin und führt ein selbständiges Leben mit eigener Wohnung und festem Freund. Der will mit ihr ins Bett, als sie gerade von einem Phototermin aus New York nach Toronto zurückgekehrt ist. Sie möchte lieber erst ihre Bilder entwickeln. Später werden die beiden von mehreren Anrufen gestört, es kommt zum Streit. Das wird ganz nebenher geschildert, damit klar wird: So sieht der Beziehungsalltag aus, nichts vor und nichts zurück, Stillstand eben.

Im Beruf hingegen gibt es noch Räume, die erschlossen werden, in die Bewegungsdrang und Ehrgeiz vorstoßen können. Und weil es mit der Karriere vorangeht das Private jedoch stillsteht entstehen Klüfte, die Anne bald nicht mehr überbrücken kann. Dann trennt sie sich von ihrem Freund, experimentiert ein bißchen und bleibt dennoch unzufrieden. Da klappt es dann auf einmal auch beruflich nicht mehr.

DIE KARRIEREFRAU erzählt von den Bildern, die eine Frau macht über eine Frau, die Bilder macht. Anne inszeniert ihre Modephotos sehr sorgfältig, arrangiert sie zu kunstvollen Stilleben. Weil sie aber diese Bilder macht ohne ein Bild von sich selbst zu haben, wirken ihre Photos leblos und gekünstelt. Besser und erfolgreicher arbeitet Anne als Reporterin. Da muß sie die Realität das Leben, nur abbilden, nicht selbst entwerfen.

Martha Coolidge zeigt die Welt aus Annes Blickwinkel, schneidet immer wieder ihr Gesicht in Großaufnahme dazwischen, als wolle sie verdeutlichen: So wie wir die Dinge sehen, schaut es auch in Annes Kopf aus. Die spärlich ausgeleuchteten Bilder lassen in ihrer Nüchternheit kaum Raum für Illusionen, der zumindest im Original fast amateurhafte Ton legt sich wie ein Schleier über die Figuren.

Fast dokumentarisch kommt dieser Film daher, als habe die Regisseurin Anne zufällig getroffen, sie ein wenig durch ihr Leben begleitet um dann wieder zu verschwinden. Der Originaltitel CITY GIRL verdeutlicht, daß es um das Normale und Durchschnittliche, um den Alltag eines Stadtmädchens geht. Also fängt der Film mittendrin an und hört ebenso abrupt wieder auf. Er kennt keine Steigerung und kein Gefälle, und ist am Ende keinen Schritt weiter als am Anfang. Das sagt schon einiges über den Blick der Regisseurin auf das Leben. In seiner Desillusioniertheit wirkt DIE KARRIEREFRAU in manchen Momenten wie die schönen, billigen amerikanischen Filme, wie ein B-Movie.

Von den Anzeigen sollte sich niemand irreführen lassen; da wird der Film Peter Bogdanovien zugeschrieben, obwohl der lediglich als ausführender Produzent fungierte. So kann man auch den Verfall der Kino-Kultur betreiben: indem man die Zuschauer für dumm verkauft. Das dann auch ein Licht darauf, wie wenig der Metropol-Verleih an seinen Filmen interessiert ist. Das hat Bogdanovich nicht verdient und Martha Coolidge erst recht nicht.

(In München im Karlstor.)

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