11. Februar 1986 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Heißes Pflaster

Mode von einst

Marcel Ophüls' Film HEISSES PFLASTER

Welchen Schnitt haben Herrenjacketts diesen Sommer? Welche Schuhmode bevorzugt die Dame? Spätvorstellungen sind dazu da, solche Fragen zu klären: Sie bieten die Gelegenheit, ganz den jeweiligen Moden verpflichtete und vielleicht deswegen vergessene Filme zu zeigen. Nur dort kann man noch Entdeckungen machen, kann Kino in seiner ganzen Zeitgebundenheit erleben. Selbst Belanglosigkeiten, Enttäuschungen gar, nimmt man da gern in Kauf. leider gibt es in München kaum ein Kino, das die late show dazu nutzen würde, vergessene Filme auszugraben. Allein das Werkstattkino besitzt das Selbstverständnis, solche Programme im wöchentlichen Wechsel zu zeigen. Anderswo geht das selten ohne die große Geste der „Wiederaufführung“ vonstatten. Ansosnten verlaßt man sich ohnehin auf „Filmkunst“, die sich mit schöner Regelmäßigkeit alle Vierteljahre wiederholt. Gäbe es nicht das Filmmuseum, hätte man nach kurzer Zeit das gesamte Programmkinorepertoire gesehen.

Trotzdem muß man zufrieden sein, wenn das Isabella jetzt HEISSES PFLASTER von Marcel Ophüls, dem Sohn von Max, ins Programm nimmt und als Spätvorstellung zeigt. Dass der Film von 1963 stammt sieht man ihm an. Aus den Innovationen der Nouvelle Vague sind schon längst stilistische Mätzchen geworden. Die äußere Logik der Handlung und die innere der Charaktere wird bis zur Beliebigkeit vernachlässigt Zwar wird der Schnitt ganz im Stil amerikanischer Komödien eingesetzt doch der Rasanz steht dann die Durchschaubarkeit entgegen. Trotzdem sollte man solche Filme nicht dem Fernsehen überlassen, und sei es nur, um sie in Breitwand erleben zu können, oder um einen weiteren Belmondo gesehen mzu haben. Es wäre schön, wenn sich mehr Kinos in München um diese Tradition, die auf purer Lust am Kino gründet, kümmern würden.

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