22. November 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Filmkritiken, Rezension | The Guys

Das Trauerhandwerk

THE GUYS, eine Theaterverfilmung von Jim Simpson

Synchronisationen sind hierzulande ein mehr oder minder notwendiges Übel. Manche Erinnerung an Schauspieler hat sich gar mit der deutschen Stimme verknüpft, aber je öfter man Filme im Original sieht, desto weniger mag man sich mit ihrer Eindeutschung abfinden. Und wenn dann ein Film ganz und gar von der Konzentration auf seine Schauspieler lebt wie THE GUYS, wenn jede Modulation im Sprechen seiner Stars Sigourney Weaver und Anthony LaPaglia wichtig wäre, dann ist es eigentlich kaum mehr zu ertragen. Die Synchronisation ist nicht schlechter als üblich, aber in diesem Zwei-Personen-Stück wirkt es, als würden die Worte stets irgendwo im Halse steckenbleiben. Um nicht zu sagen, sie zerfallen den Schauspielern wie modrige Pilze im Munde.

Was nach dieser sprachlichen Vollnarkose übrigbleibt, ist nun also auch bei uns zu besichtigen. Ein Feuerwehrmann muß Grabreden auf seine im World Trade Center verschollenen Kollegen halten und wendet sich aus Angst, nicht die rechten Worte zu finden, an eine Journalistin, die ihm um so bereitwilliger hilft, als sie damit etwas zur Trauerarbeit ihrer Stadt beitragen kann. So sitzen sie zusammen, einen ganzen Tag lang, und er erzählt, was er von seinen Jungs weiß. Manche kannte er kaum, andere sind ihm immer noch zu nah, so oder so bringt das Gegenüber die Geschichten auf einen Nenner.

Das Stück wurde im Dezember 2001 von der Journalistin Anne Nelson verfaßt. Den Auftrag bekam sie vom New Yorker Flea Theatre, dessen Leiter Jim Simpson ist, der nicht nur hier Regie führt, sondern auch noch der Ehemann von Sigourney Weaver ist. THE GUYS ist also eine Art Betroffenheitsstück, dessen Ambitionen über Gruppentherapie nicht weit hinausreichen, eine künstlerische Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Feuerwehrmannes. Die Autorin spiegelt sich in ihrer Heldin, die mit ihrer Ohnmacht ringt und eine Gelegenheit sieht, ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Sie stilisiert den Journalismus zu einem Handwerk, in dem es darum geht, aus Erzählung und Emotion einen Gebrauchstext zu zimmern. Der Mann erzählt, sie schreibt es auf und läßt es ihn dann noch mal vortragen. Und wenn er am Ende vor der Trauergemeinde steht, sprechen ihre Lippen den Text mit, als sei er nur ein Schauspieler in ihrem Stück.

Das ist genau das Problem des Films: Die Schauspieler scheinen sich nie von ihrem Text lösen zu können, weil die falsch verstandene Pietät ihnen gar nicht erlaubt, eine Spannung untereinander aufzubauen. Einmal phantasiert sie sich einen Tango zusammen, mehr passiert aber nicht, darf auch gar nicht. Man sieht eine ehrgeizige Weaver und einen tapferen LaPaglia, die sich mit dieser Situation abmühen. Für die unmittelbare Trauer war das womöglich genug, fürs Kino ist es zuwenig.

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