29. November 2000 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | Drei Engel für Charlie

Als die Frauen noch Mähnen hatten

Das Kino im Zeitalter seiner Dekonstruierbarkeit: DREI ENGEL FÜR CHARLIE werden runderneuert

Wer sich an die Fernsehserie DREI ENGEL FÜR CHARLIE erinnert, wird vor allem ein Bild vor Augen haben: die blonde Mähne von Farrah Fawcett-Majors, die für Friseure in aller Welt jahrelang eine neue Existenzgrundlage schuf. CHALIES’S ANGELS war also die Serie mit den vielen Haaren – und das war’s auch schon. Natürlich war es ein beliebter Streit, ob nicht Kate Jackson und Jaclyn Smith oder später Cheryl Ladd und Tanya Roberts eigentlich besser aussahen als die Kollegin mit dem Superhaar, aber sonst gab es an dieser Serie nichts, was sich der Erinnerung eingeprägt hätte.

Das Entscheidende war aber natürlich, dass es drei Frauen waren, die hier schlagkräftig in die Männerdomäne der Krimiserien einbrachen – andererseits konnte das Fans von Emma Peel in MIT SCHRM, CHARME UND MELONE auch nicht wirklich beeindrucken. Mrs. Peel stand schon ihren Mann, als die drei neuen Engel für Charlie noch gar nicht geboren waren. Somit ist die feministische Neudeutung der Fernsehserie, die von 1976 bis 1981 lief, nicht so ganz zutreffend. Was die drei Engel vor allem auszeichnete, war die Tatsache, dass sie sich auf eine Pose, ein Logo, ein Image reduzieren ließen, dessen Silhouette bereits alles wesentliche sagte: ein Paar um eine wallende Mähne gruppierte lange Beine in oben engen, unten weiten Hosen. Es ist jedenfalls nicht bekannt, dass sich irgendeine Frauenoffensive Angels-Sticker auf die Bluse genäht hätte. Und wenn die Erinnerung nicht trügt, kam die Serie allgemein bei Jungs besser an als bei Mädels. Für die einen waren es begnadete Körper in idiotischen Geschichten, für die anderen der ganz normale Schönheitsterror, der zu immer häufigeren und umso vergeblicheren Friseurbesuchen führte.

All diese Attribute der alten Fernsehserie sind für Hollywood nicht etwa Hinderungsgründe, sondern geradezu Verkaufsargumente für eine Neuverfilmung. Nicht, dass es dort ernstlich jemanden interessieren würde, ob bei einer Umsetzung der Geist der Serie erhalten bleibt, aber die Tatsache, dass das Original keine anderen Qualitäten als seinen eigentümlichen Look besaß, birgt wenigstens schon mal die Garantie, dass sich niemand beschweren wird, die Verfilmung werde der Serie nicht gerecht. Es geht einzig und allein darum, neue, zeitgemäße Posen für die drei Mädchen zu finden – vom Versuch, auch eine Entsprechung für Farrah Fawcetts Frisur zu finden, wurde freundlicherweise abgesehen. Wo das damalige Logo aus den drei Frauen ein vielarmiges und -beiniges Kampftrio machte, da stehen nun auf dem Plakat die drei neuen Engel jede für sich in aufreizenden, aber nicht martialischen Posen im Gegenlicht. Die schwesterliche Solidarität ist also eher eine Option, aber kein Muss, wenn man sich in dieser Welt behaupten will.

Der Film zum Logo

Die auf ein Logo reduzierbare Verkaufsbotschaft ist natürlich für jedes Studio ein Traum. Es muss nicht mehr mühsam vermittelt werden, worum es im Film geht, sondern ein Blick genügt, und man weiß, was man über den Film wissen muss. Deshalb ist es kein Wunder, dass Hollywood nun schon seit Jahren das gesamte amerikanische Serienschaffen abgrast: MISSION: IMPOSSIBLE, ADDAMS FAMILY, AUF DER FLUCHT, AKTE X, FLINTSTONES (In Deutschland arbeitet man seit Jahren daran, das RAUMSCHIFF ORION wieder flottzumachen, und NICK KNATTERTON ist schon abgedreht.)

Das Eigenartige ist, dass das angestrebte Publikum dieser Verfilmungen in der Regel gar nicht alt genug ist, um die Serienvorlagen am eigenen Leib erlebt zu haben – und dennoch funktioniert die Anmache. Nach dem Motto: Was einmal als Konzept funktioniert hat, setzt sich immer wieder durch. Dennoch müssen wahrscheinlich noch ein paar Jahrzehnte vergehen, ehe sich ernsthaft jemand an die Verfilmung von MIAMI VICE wagen kann – hochgekrempelte Sakkoärmel sind auch nach der Rückkehr der Achtziger selbst als ironisches Konzept noch nicht so richtig vorstellbar.

Im Rahmen des allumfassenden Marken-Recyclings ist es nur konsequent, dass mittlerweile auch Regisseure sich Kunstnamen zulegen. Der aus der Clip-Branche stammende Joseph McGinty Nichol nennt sich nur noch McG, als hoffe er, bei etwaigem Erfolg unter diesem Markennamen Jeans oder Donuts verkaufen zu können. Der Mann hat jedenfalls sein Handwerk gelernt und es geschafft, einen Film zu drehen, in dem jede einzelne Szene so aussieht, als sei sie eigens für den Filmtrailer konzipiert worden. Nun ist gegen Trailer grundsätzlich nichts zu sagen – manchem Film täte es gut, wenn er mehr Ähnlichkeit mit dem eigenen Trailer hätte, wo einem angesichts der kommenden Attraktionen in der Regel der Mund wässrig wird. Genau das hat McG also hingekriegt: einen Film, der in jeder Sekunde sein eigener Trailer ist und für sich selbst Werbung macht. Eigentlich ein geschickter Trick: Während man die Engel sieht, bekommt man Lust auf noch mehr Engel. Man kann sich gar nicht sattsehen – und fühlt sich am Ende doch überfressen.

Diese Methode, alles auf den Moment hin zu inszenieren und auf jeden Zusammenhang zu pfeifen, führt zwar einerseits zur Selbstauflösung des Kinos, ist aber andererseits wahrscheinlich auch dessen Zukunft. Man wird sich schätzungsweise daran gewöhnen müssen, dass solche Filmspektakel vor den Augen der Zuschauer in ihre Partikel zerfallen: Musikclips, Computertricks, Videoschnickschnack. Je länger sich die Wahrnehmung der Leute am Musikfernsehen und Internetsurfen trainiert, desto sicherer wird sich das Kino darauf einstellen. Da muss man gar nicht traurig sein – das ist der Lauf der Welt.

Und so lange man dabei so hinreißenden Frauen wie Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu zusehen darf, wie sie eine Welt von vertrottelten Männern aufmischen, gibt es auch gar keinen Grund zur Klage. Nie war der Spruch wahrer: Action is character.

CHARLIE’S ANGELS, USA 2000 – Regie: McG. Buch: Ryan Rowe, Ed Solomon, John August. Kamera: Russell Carpenter. Mit: Cameron Diaz, Drew Barrymore, Lucy Liu, Bill Murray, Sam Rockwell, Tim Curry. Columbia, 92 Minuten.

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