14. November 1990 | Süddeutsche Zeitung | Filmkritiken, Rezension | China Lake

Mobile Homes

CHINA LAKE, der Erstling des Deutschamerikaners Dieter Weihl

Heimat ist kein amerikanisches Wort. All die Geschichten von Heimkehr und Seßhaftigkeit leben dort von der Bewegung, vom Suchen und Unterwegssein. Dass in Amerika die Wohnwägen – Mobile Homes – heißen, sagt eigentlich schon alles. Und es gibt nichts Trostloseres, als wenn so ein Gefährt im Nirgenwo strandet und zum richtigen Heim wird. Im Stillstand liegen die ganzen Träume brach, die sich damit verbinden.

Scooter lebt mit seinem Vater in einem Mobile Home, abgestellt in der wüsten Weite Nevadas. Die einzige Bewegung, die der verdreckte Alte (L.A. Davis) noch erlebt, ist das Flimmern des Fernsehers. Es ist also kein Zufall, wenn Scooter (Joe Toppe) am liebsten in seinem Auto sitzt, wo er nicht nur den ganzen Tag Radio hört, sondern auch nachts schläft. Der Junge hat noch einen Traum, aber weder die Kraft noch die Worte, ihn einzufangen.

Manchmal fährt er in den nächsten Ort und verbringt seine Zeit in einem Cafe oder auf einem Schrottplatz, wo er sich von einem Freund (Richard Edson aus STRANGER THAN PARADISE) seinen Wagen mit neuen Lautsprechern aufrüsten läßt. Dann kehrt er mit einem Fertiggericht zu seinem Vater zurück, der sich über die kaputte Fernbedienung aufregt. So geht es vermutlich schon seit Jahr und Tag, dieses Leben auf dem Abstellgleis der Sehnsüchte.

Dieter Weihl ist Deutschamerikaner, 1956 in San Francisco geboren. Sein erster Film besitzt eine schüchterne Präzision in der Ruhe und dem Schweigen, aber seine minimalistische Genauigkeit in den Gesten verliert viel von ihrer Kraft durch einen eher unpassenden satirischen Zugriff zum Milieu. Die Überzeichnung des Vaters und der deutschstämmigen Tante (Sandi Stutz), die zu Besuch kommt, wirkt auf eine Weise laut und schrill, die den sonst so angenehm zurückhaltenden Tonfall zu oft übertönt.

Aber wenn Weihl Scooters Annäherung an seine Schwester Laura (Amelia Richer-Hart), die seit dem Tod der Mutter bei der Tante lebt, schildert, dann findet er zu einer lyrischen Rede, die nichts forcieren muß, um ihre Geschichte zu erzählen. Da blickt die Kamera bei Sonnenaufgang von oben in das Auto, dessen Dach Scooter abgesägt hat, und schaut der Umarmung der Geschwister im Schlaf zu. Ganz nahe kommt der Film dabei den beiden, ohne ein Wort darüber verlieren zu müssen. Da wird etwas von der Sprachlosigkeit sichtbar, die sich über Träumen und Handeln gelegt hat. Und in einer Geste liegt die ganze Sehn¬sucht nach Heimat.

(In München im Arena in der untertitelten Originalfassung.)

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