18. September 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | DVD-Kritik, Rezension | The Hours DVD

Filme auf DVD: Leben zwischen Büchern

Stephen Daldrys "The Hours"

Wer den Film nicht mochte, sprach nur über die Nase – als habe sich Nicole Kidman nur eine Pappnase aufsetzen müssen, um als Virginia Woolf einen Oscar zu gewinnen. Die Fans von THE HOURS ließen sich dadurch nicht beirren, ihr Augenmerk galt ohnehin mehr dem Gleichklang der Geschichten zur betörenden Musik von Philip Glass, der Anmut, welche die Frauen noch im Unglück besitzen, und dem eigentümlichen Trost, der von ihrer stillen Verzweiflung ausging. Um so spannender ist es nun zu hören, wie die drei Schauspielerinnen im Audiokommentar zur DVD (Highlight) aus dem Off ihre Arbeit kommentieren.

Wenn also Kidman, Julianne Moore und Meryl Streep getrennt über ihre Szenen sprechen, dann entsteht der paradoxe Eindruck, es seien die Figuren selbst, die zum Reden gebracht werden, obwohl sie doch gleichzeitig aus ihren Rollen schlüpfen. Womöglich liegt es am Dreiklang der unterschiedlichen Charaktere, deren Parallelen auch jenseits der Geschichte funktionieren. Kidman zeigt sich dabei naheliegenderweise am meisten von der eigenen Darstellung gefangen und sagt auch, sie täte sich schwer, darüber von außen zu sprechen, weil die Figur noch so sehr Teil von ihr sei. Moore wiederum wirkt ähnlich wie im Film selbst ein wenig reduziert und erzählt erst mal, daß sie im Unterschied zu Regisseur Stephen Daldry Proben haßt, weil sie Erfahrungen lieber vor der Kamera macht. Sie läßt sogar durchblicken, daß sie es besser gefunden hätte, wenn der Film weniger explizit von den Selbstmordabsichten ihrer Figur gesprochen hätte. Natürlich loben alle drei immer brav auch ihre Mitspieler – Stephen Dillane, Toni Collette, Ed Harris, Miranda Richardson, Clare Danes, Jeff Daniels -, aber Meryl Streep wirkt dabei am aufrichtigsten, mit nüchternem Blick auf die eigene Arbeit und warmherzigen Worten für die der anderen. Einmal sagt sie bei einer Szene, es sei kein Wunder, daß sie nach einem neunstündigen Drehtag, an dem sie fortgesetzt heulen mußte, aussehe wie ein Hamburger. Und dann läßt sie ihr kehliges Lachen hören, als wolle sie sich für diesen Anflug von Eitelkeit entschuldigen, was sie aber natürlich gar nicht nötig hat.

David Hare hat das Buch nach der Vorlage von Michael Cunningham verfaßt, und aus den Kommentaren der Schauspielerinnen wird deutlich, daß ihm schon darin gelungen war, was auch den Film auszeichnet: daß man die drei Geschichten unwillkürlich zu einem Ganzen zusammenfügt. Sowohl Julianne Moore als auch Meryl Streep lassen durchblicken, wie wenig sie beim Lesen des Drehbuchs auf ihre eigenen Rollen geachtet haben – und wie überrascht sie dann beim Drehen waren, daß sie sozusagen jeweils nur ein Drittel jener Figur spielen durften, die sie beim Lesen vor sich gesehen hatten. Moore stellte plötzlich fest, daß sie im Grunde kaum Text hatte und überwiegend stumm agieren mußte; und Streep machte dieselbe Erfahrung, als sie realisierte, daß sie im Grunde nur Nervenzusammenbrüche spielen darf – und all die anderen Aspekte dessen, was sie am Buch begeistert hat, von ihren Kolleginnen abgedeckt werden. Das ist eben die Kunst des Films, daß er ein Schicksal schildert, gefiltert durch die Erfahrungen dreier Frauen, gespiegelt an der Trennlinie zwischen Büchern und Lesern. So sieht man in der schönsten Schnittfolge Julianne Moore schon lesen, was Nicole Kidman gerade noch schreibt.

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