12. Juni 1990 | Süddeutsche Zeitung | Fernsehen, Rezension | Peter Gunn & The Justin Case

In Hollywood gilt das Gesetz der Serie: Was einmal gut war fürs Geschäft, ist es auch ein zweites Mal. Diese Regel ist so einfach wie einträglich, und wer in dem Gewerbe überleben will, sollte sie auch befolgen. Niemand weiß das besser als Blake Edwards. Daß er als einer der wenigen Regisseure seiner Generation heute noch Filme machen kann, verdankt er vor allem diesem bewährten Rezept. Denn sein Comeback, nachdem Streitereien mit seinem Studio Anfang der siebziger Jahre seinen Ruf und sein Nervenkostüm ruiniert hatten, startete Edwards mit drei Fortsetzungen seiner bereits zweimal erfolgreichen Serie um den vertrottelten Inspektor Clouseau. Er wurde reich damit und konnte plötzlich wieder in Hollywood arbeiten. Aber fortan vermied er jede Art von Abhängigkeit und produzierte zusammen mit seinem Freund Tony Adams lieber selber: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Besonders in Hollywood.

Blake Edwards war von Anfang an ein Wiederholungstäter. In den fünfziger Jahren hat er für Radio und Fernsehen gearbeitet und dabei außerordentlich erfolgreiche Serien geschaffen. Für Dick Powell schrieb er Rickard Diamond, und fürs Fernsehen drehte er die Detektivserien MR. LUCKY und PETER GUNN. An diesem Umgang mit immergleiehen Konstellationen konnte Edwards sein unvergleichliches Talent schulen, innerhalb einer Geschichte auf kleinstem Raum die aberwitzigsten Sprünge zu vollführen.

Die abenteuerlichen Rhythmuswechsel und subtilen Stimmungsumschwünge leben nicht von ihrer Originalität, sondern von einem Interesse an der Variation, das Großzügigkeit und Minimalismus verbindet. Mit diesem Blick muß man auch seine Remakes betrachten, von Schünzels VICTOR/VICTORIA und Truffauts DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE. Edwards ist ein großer Wiederbelebungskünstler, seine Figuren funktionieren wie Stehaufmännchen. Teil sechs und sieben der PINK-PANTHER-Filme drehte er sogar dann noch, als ihr Hauptdarsteller Peter Seilers bereits tot war – mit Teilen und Resten der vorangegangenen fünf Folgen.

Nun hat Edwards PETER GUNN reanimiert, den er 1967 schon einmal für eine Filmversion ausgegraben hatte. Den einstigen Hauptdarsteller Craig Stevens hat er durch den Fernsehstar Peter Strauss (REICH UND ARM) ersetzt, aber die Figuren sind gleich geblieben: der smarte Detektiv Gunn, seine singende Geliebte Edie und sein Lieblingsfeind Lieutenant Jacoby.

Zur gleichen Zeit hat Edwards für Disneys TV-Zweig einen weiteren Detektiv in die Welt gesetzt, den unsichtbaren Schnüffler Justin Case, der dem Film auch im Original den Titel gab – bei uns heißt er EiIN HIMMLISCHER SCHNÜFFLER. Beide Arbeiten sind als Pilotfilme für noch nicht gedrehte Fernsehserien konzipiert, sozusagen als Nullnummern, über deren Weiterführung erst entschieden wird, wenn man weiß, ob sie beim Zuschauer überhaupt ankommen. Unabhängig von einer eventuellen Fortsetzung kann man PETER GUNN (NewVisiori) und THE JUSTIN CASE (EuroVideo) jetzt bei uns auf Video sehen.

Die Bedingungen und Umstände ihrer Entstehung sind bei beiden Filmen nicht zu übersehen. Sie sind schnell und kostengünstig gedreht, ganz darauf aus, die Figuren, die Atmosphäre und den Tonfall zu skizzieren, die man bei einer Fortsetzung zu erwarten hätte. Das heißt vor allem, daß ihre Geschichten nicht auf ein Ende hin berechnet sind, sondern auf Wiederholbarkeit und Variationsmöglichkeiten; und daß bei den Figuren nicht die psychologischen Feinheiten zählen, sondern die Wiederverwertbarkeit bestimmter Verhaltensmuster. In dieser Hinsicht funktionieren beide Filme reibungslos.

Peter Gunn, der smarte Detektiv mit dem Thunderbird, ist ein Meister der verzögerten Pointe – im Slapstick würde man das slowburn nennen. Mit lächelnder Impertinenz treibt er sein Spiel mit den Worten und reitet so lange auf einem Witz herum, bis alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Es gibt eine ganz wunderbare Szene, in der er seine Freundin, die Nachtclubsängerin Edie, küßt und dabei über Lippenprothesen spricht, und eine andere, in der er, ohne zu wissen wie ihm geschieht, auf einmal mit der eifersüchtigen Edie, einer halbnackten Gangsterbraut, einer verwirrten Sekretärin, zwei Leichen, zwei Polizisten und. einem Kommissar in einem Raum ist und jedem einzelnen die Situation erklären muß. Solche Dialoge sind Edwards‘ Spezialität, und die Story um einen Bandenkrieg ist gut genug ausgedacht, um den Zuschauer bei der Stange zu halten.

EIN HIMMLISCHER SCHNÜFFLER handelt von einer arbeitslosen Schauspielerin, die sich auf eine Annonce hin in einer Detektei meldet und dort den Detektiv „tot“ auf dem Fußboden findet Im nächsten Moment spricht jedoch der Verblichene zu ihr und bringt sie nach und nach dazu, ihm bei der Suche nach seinem Mörder zu helfen. Weil nur sie – und mit ihr der Zuschauer – den unsichtbaren Schnüffler hören kann, ergibt sich eine Kette verzwickter Situationen, bei denen Edwards ganz in seinem Element ist. Mit dieser Kinderserie hat er vermutlich Situationen durchspielen können, die in seinem neuen Film SWITCH eine Rolle spielen werden. Ellen Barkin wird darin einen Mann verkörpern, der nach seiner Ermordung durch drei seiner Geliebten als Frau auf die Welt zurückkehrt. Auch das könnte in Serie gehen. Der Reanimator läßt die Toten tanzen.

(Vorerst nur im Videoverleih.)

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