30. November 1996 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 30.11.1996

Männerwirtschaft

Wenn man Cary Grant sieht, sollte man sich immer wieder mal vor Augen halten, daß keineswegs Bogart, sondern er Raymond Chandlers Lieblingsbesetzung für den Philip Marlowe gewesen wäre. Daran sieht man zum einen, daß auch der hartgesottenste Schreiber ein wenig eitel war. Und zum anderen, daß Grant cool genug war, daß man ihm jede Rolle zutraute – selbst den Marlowe. Dabei war der Mann Engländer und hieß eigentlich Alexander Archibald Leach.

Die ARD widmet Cary zum zehnten Todestag am Samstag eine ganze Filmnacht, erst um 23.50 Uhr Hitchcocks DER UNSICHTBARE DRITTE, dann um 2 Uhr Capras ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN und schließlich um 3.50 Uhr Cukors DIE NACHT VOR DER HOCHZEIT mit Katherine Hepburn und James Stewart. Und wem das noch nicht reicht, der kann sich im Bayerischen Fernsehen um 22.20 Uhr mit Stanley Donens CHARADE einstimmen. Überschneidet sich allerdings um 20 Minuten mit DER UNSICHTBARE DRITTE, so daß man entweder die geniale Auflösung von CHARADE verpaßt oder die Szene, wo dem unschuldigen Grant im New Yorker UN- Gebäude ein Mann mit einem Messer im Rücken in die Arme fällt. Aber es dürfte in jedem Fall reichen für die saukomische Orangentanz-Szene im einen und Grants unheimliche Begegnung mit einem verrückten Flugzeug im anderen Film.

Als bester und wichtigster Schauspieler wird er in David Thomsons Filmlexikon gewürdigt. Und auch wenn wir der Meinung sind, daß dieser Titel James Stewart gebührt, so ist Grant ihm natürlich dicht auf den Fersen. Die Amerikaner haben einen schönen Ausdruck für Typen wie ihn: Man about Town. Das beinhaltet schon eine gewisse nervöse Energie, die auf dem Land nichts mit sich anzufangen wüßte.

In gewisser Weise hat Grant ein Idealbild des (Welt-)Mannes geschaffen, das ohne Idealisierungen auskommt. Von keinem anderen hat man sich im Kino so gern verführen lassen – umso lieber, je undurchsichtiger seine Charaktere waren. Denn häufig genug war er von durchaus zweifelhaftem Charakter, mit unklaren Absichten, aber immer ein Mann mit Eigenschaften, ohne daß man genau zu sagen wüßte, welche das gewesen wären. Grant war intelligent genug, zumeist zweierlei zugleich zu verkörpern: Ernst und Leichtfüßigkeit, Autorität und Infantilität, Eigensinn und Verbindlichkeit. So verkommen kann einer gar nicht sein, daß er nach einem Film mit Grant gute Manieren und ordentliche Anzüge nicht für einen zivilisatorischen Fortschritt hält.

Frank Sinatra war da aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Wenn er cool wirkte, dann spürte man einen eisernen Willen, der keinen Hehl daraus machte, daß hinter der Fassade die Nerven bloßliegen. Seine Gelassenheit ist eine Überlebensstrategie unter harten Jungs und nichts, was ihm unbedingt im Blut läge. Seinen Figuren hat das allerdings immer eine Kraft verliehen, wie sie nur am Rande zur Verzweiflung entstehen kann. In DER MANN MIT DEM GOLDENEN ARM (3 sat, Sonntag, 0.25 Uhr) ergibt das in Verbindung mit Drogensucht, Spielleidenschaft und Schlagzeugerei die bewegendste Rolle. Schon der Name Frankie Machine zeugt davon, daß diesem Typen nichts natürlich zufliegt, sondern alles angetrieben wird von einem niemals ruhenden Motor . Sechs Jahre zuvor war Frankie Boy in Busby Berkeleys Baseball-Musical Spiel ZU DRITT (WDR, Samstag, 14.15 Uhr) zu sehen, wo er naturgemäß etwas gelassener auftreten konnte.

Sozusagen dem Urbild des Mannes widmet Arte am Sonntag einen ganzen Abend: Tarzan. Der edle Wilde war gewiß das Gegenteil des man about town, obwohl sich die Gesetze des Dschungels ja durchaus auch auf die Großstadt anwenden lassen. Es gibt zwei Spielfilme: TARZAN, DER AFFENMENSCH (20.45 Uhr) und TARZAN UND DER GOLDENE LÖWE (0.25 Uhr) und einen weiteren Film über seinen Schöpfer Edgar Rice Burroughs (23.45 Uhr).

Aber es braucht natürlich nicht erst Tarzan, um zu begreifen, daß es im Kino immer ums Gleiche geht. Und das Gleiche heißt: ‚Ich Tarzan, du Jane.‘

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