27. Dezember 1996 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 27.12.1996

Dem deutschen Kino, heißt es, gehe es gut wie nie. Gut genug jedenfalls, um die allseits verschmähten fünfziger Jahre wieder aufleben zu lassen. Das nennt sich dann etwas halbstark German Classics. Von welchen Klassikern da die Rede ist, kann man nun im Filmmuseum noch mal nachprüfen.

Déjà vu

Daß die Originale ein anderes Format haben, liegt erst einmal daran, daß sie nicht fürs Fernsehen gedreht worden sind. Heute läuft um 18 Uhr Ladislao Vajdas ES GESCHAH AM HELLICHTEN TAG mit Heinz Rühmann, Michel Simon und Gert Fröbe und morgen um 21 Uhr Rolf Thieles DAS MÄDCHEN ROSEMARIE mit Nadja Tiller, Peter van Eyck und Carl Raddatz. Georg Tresslers DIE HALBSTARKEN mit Horst Buchholz und Karin Baal laufen heute um 21 und morgen um 18 Uhr. Claudius Seidl schrieb über den Film: ‚Die Schatten, die Tresslers Bilder so verdüsterten, das waren auch die Schatten der Vergangenheit. Insofern wirkten die halbstarken Kleinganoven wie Lichtgestalten: Sie hörten so lauten Rock ’n‘ Roll, sie gaben sich selber so heftig, suchten so innig nach Nervenkitzel, um die Lügen ihrer Väter zu übertönen. Wie Tressler diese starken Burschen zeigte, ließ er keinen Zweifel daran: Das waren keine üblen Kerle. Sie hätten sich gern einer Autorität gefügt, die sich nicht selber desavouiert hatte. Die Halbstarken litten an ihren schwachen Vätern.‘

Lubitsch-Touch

Die Kritik hat den Film verrissen, das Publikum ihn gemieden: Ernst Lubitschs Genie-Streich BLAUBARTS ACHTE FRAU war 1938 seiner Zeit womöglich zu weit voraus. Schon die Vorstellung, Gary Cooper könne ohne Pyjama-Hose und Claudette Colbert ohne das entsprechende Oberteil ins Bett gehen, war wahrscheinlich schon eine Zumutung – genau davon handelt aber die erste Szene, die meisterlich den Lubitsch-Touch vorführt, der nichts zeigt, aber doch alles sagt. Und man kann nebenbei von Mrs. Colbert lernen, daß sich Schlafstörungen am besten bekämpfen lassen, indem man das Wort ‚Tschechoslowakei‘ rückwärts buchstabiert. Am Mittwoch kann man den Film um 20.15 Uhr zum letzten Mal in der Lupe auf der Leinwand sehen. Davor läuft um 18 Uhr SERENADE ZU DRITT, in dem Frederic March, Gary Cooper und Miriam Hopkins einen flotten Dreier vorführen, bei dem alle erfolglos versuchen, ihr Versprechen ‚No sex‘ einzuhalten. Im Filmmuseum kann man am Sonntag um 21 Uhr sehen, daß Lubitsch seinen Touch beim Stummfilm gelernt hat: DIE AUSTERNPRINZESSIN.

Strange Days

Und noch ein paar Filme gegen jeden Anflug von Besinnlichkeit zwischen den Jahren: Das Arena zeigt am Samstag und Sonntag um 22.45 Uhr Kathryn Bigelows Silvester-Thriller STRANGE DAYS; und am Montag und Mittwoch um dieselbe Zeit Quentin Tarantinos RESERVOIR DOGS, wo man alles übers Trinkgeldgeben lernen kann. In der Lupe läuft am Donnerstag auch um 22.45 Uhr GILDA, in dem Rita Hayworth vorführt, daß schwarze Handschuhe zur Intimwäsche gehören.

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