27. März 1992 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 27.03.1992

Das Kinojahr steht mal wieder vor seinem Höhepunkt: In der Nacht von Montag auf Dienstag (ab 3 Uhr live auf Tele 5) werden zum 64. Mal die Oscars vergeben. Ein Wochenende bleibt also noch, an dem man nominierte Filme nachholen kann, um sich bei der Verleihung besser freuen oder ärgern zu können: BUGSY, JFK, HERR DER GEZEITEN, THELMA UND LOUISE (Elisenhof), HOOK oder KAP DER ANGT.

Oase in der Wüste

Mitten im Grunewald, schrieb Siegfried Kracauer 1926 über die Ufa-Stadt Babelsberg, ‚liegt ein abgeschlossener Bezirk, den man nur nach mancherlei Prüfungen betreten darf. Es ist eine Oase in der Wüste. Die Natürlichkeiten draußen – Bäume aus Holz, Seen mit Wasser, Villen, die bewohnbar sind – haben innerhalb seiner Grenzen ihr Recht verloren. Zwar, die Welt kehrt wieder in ihm, ja, der ganze Makrokosmos scheint in dieser neuen Arche Noah eingesammelt: aber die Dinge, die sich hier ein Stelldichein geben, gehören nicht der Wirklichkeit an. Sie sind Abbilder und Fratzen, die man aus der Zeit gerissen und durcheinander gemischt hat. Unbewegt harren sie, vorne voller Bedeutung, hinten das blanke Nichts. Ein böser Traum von den Gegenständen, der in das Körperreich gezwungen worden ist.‘ Am Dienstag um 18 Uhr fängt das Filmmuseum passenderweise mit DER TOTENTANZ seine neue Reihe an mit Filmen aus Babelsberg. Dazu DAS SCHWARZE LOS (1913) von John Gottowt. Um 21 Uhr dann DER STUDENT VON PRAG (1913). Am Mittwoch laufen um 18 Uhr OPIUM (1919) von Robert Reinert und um 21 Uhr DIE LIEBE DER JEANNE NEY (1927) von G.W.Pabst. Donnerstag kommt dann schon METROPOLIS mit Aljoscha Zimmermann am Flügel, Beginn 20 Uhr.

Schatten in der Stadt

Das Werkstattkino zeigt drei Filme aus den Schattenzonen der amerikanischen Großstädte: Ari Roussimoffs SHADOPWS IN THE CITY (1988 – 91), die Odyssee eines Freakshow-Ansagers durch die Unterwelt von New York (bis Sonntag jeweils 21 Uhr); Jim van Bebbers DEADBEAT AT DAWN (1987), eine Bandengeschichte aus den städtischen Kriegszonen (bis Sonntag jeweils 23 Uhr); und Joseph B. Vasquez‘ BRONX WAR (1989), eine Geschichte aus dem Drogenkrieg in der Bronx, wo ’nicht in schöner Ästhetisiserung gestorben wird, sondern im Dreck auf der Straße‘. Der Film läuft ab Montag um 23 Uhr, davor, um 21 Uhr, wird Vera Chytilovas TAUSENDSCHÖNCHEN (1967) gezeigt. Darüber schrieb in dieser Zeitung damals Alf Brustellin: ‚Ein ziemlich irres Kinostück, das sich keiner Ordnung, keiner Dramaturgie, und schließlich auch keiner These mehr verpflichtet fühlt. TAUSENDSCHÖNCHEN ist ebenso ein Kriegsfilm, ein Politfilm, ein Emazipationsfilm wie ein Sexfilm, Freßfilm. Ganz besonders ist er ein Destruktionsfilm.‘

Im Cinema kann man am Sonntag um 10 Uhr mit Audrey Hepburn BEI TIFFANY’S frühstücken. Zu Blake Edwards‘ Meisterwerk werden Kaffee und Tee, Brot und Marmelade, Müsli und Cornflakes serviert. Nicht ganz stilecht, aber auch Audrey hatte nur einen Ring aus einer Crackerpackung dabei.

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