24. Dezember 1993 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 24.12.1993

Das Filmmuseum hat zu. Wo gibt's denn sowas? Keine Silvesterreihe, nix! Auch gut, bleiben wir halt zu Haus', sehen fern. Obwohl...

Vynalez zkazy

Das Werkstattkino springt wieder mal ein und zeigt zwei Wochen lang jeweils um 21 Uhr die phantastischen Filme des Tschechen Karel Zeman, in denen man zurückkehren kann zu ‚den abenteuerlichen Lesestunden der Jugendzeit‘. Jules Verne, dessen Einfluß auf die Phantasie gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, diente dem Puppenfilmer immer wieder als Vorlage.

In VYNALEZ ZKAZY (DIE ERFINDUND DES VERDERBENS), der von Samstag bis Montag läuft, hat er die Originalillustrationen von Rioux und Bennet für die Hintergründe verwendet, vor denen sich eine Mischung aus Spiel-, Zeichen- und Puppenfilm abspielt. Dazu hat er ein Raster mit feinen horizontalen Linien verwendet, durch das die Landschaften auch eine räumliche Wirkung entfalten.

Vladimir Kolman schrieb: ‚Dank dieser Methode wurde dem Zuschauer klar, daß eine überflüssige Modernisierung lediglich den gesamten Zauber der Romane von Jules Verne zerstört hätte, daß aber deren aktuelle Auswertung auf etwas anderem basieren muß: auf Einsicht in jene ästhetische Qualität, die alte technische Erfindungen und Utopien in dem Moment anzunehmen pflegen, wenn die wissenschaftliche Welt sie auf den Müll nutzloser Phantasiegebilde wirft.‘ Es geht um Professoren und Piraten, unterirdische Städte und utopische Sprengstoffe. Dienstag und Mittwoch wird seine Verfilmung von Ottfried Preußlers KRABAT (1977) gezeigt. Von Neujahr an geht es weiter mit Auf dem Kometen, Baron Münchhausen, Die Hofnarrenchronik und Reise in die Urwelt.

Nacht auf Erden

Von Samstag bis Montag spielt das Arena um 22.45 Uhr NIGHT ON EARTH, Jim Jarmuschs letzten Film vor dem Verstummen. Der Zufall hat bei ihm System, am Anekdotischen interessiert ihn das Absurde. Daß alles im Taxi spielt, läßt den Eindruck entstehen, die Geschichten führten tatsächlich von hier nach dort. Dabei sind hinterher mehr Fragen offen als vorher. Die Beziehungen zwischen Winona Ryder, Gena Rowlands, Armin Mueller-Stahl, Beatrice Dalle, Roberto Benigni, Matti Pelonpää und den anderen führen nie zu mehr Verständnis, sondern zu noch größerer Ratlosigkeit.

Von Dienstag an läuft um dieselbe Zeit am selben Ort MANN BEIST HUND, ein gefälschter Dokumentarfilm über einen Serienkiller, der Spaß an seinem Beruf hat. Da kann einem wirklich Hören und Sehen vergehen.

Der Nervenkitzler

In Originalkopien zeigt das Werkstattkino jeweils um 23 Uhr die Originalfassungen von William Castles Meisterwerken THE TINGLER (Samstag bis Montag) und HOMICIDIAL (Dienstag bis Mittwoch). Da es stets um Gefühle geht, die Formen annehmen, hat Castle einst in den Kinos gimmicks installiert, die die Grenzen der Leinwand sprengten.

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