19. Juli 1996 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 19.07.1996

Am Donnerstag laufen im Filmmuseum zwei Dokumentarfilme von Hartmut Bitomsky, einem der aufregendsten Filmemacher hierzulande. Um 18 Uhr wird REICHSAUTOBAHN gezeigt, der dem Verhältnis der Deutschen zu dieser Errungenschaft nachgeht. ‚Autobahnen‘, sagt Bitomsky, ‚entfernen den Verkehr aus der Landschaft, die Highway fädelt ihn ein. Highways sind langgeschnittene hypnotische Geraden. Man fährt in dem Gefühl, daß sie nicht voranbringen. Die Bewegung ist aus lauter Stillständen zusammengesetzt; man teilt sie in Raum und in Zeit.‘ Um 20.30 Uhr kann man dann in HIGHWAY 40 WEST sehen, was er meint. 170 Minuten reist er durch ‚das Gewöhnliche Amerikas‘, von dem Bitomsky erwartet, ‚daß es von den Leuchtspuren des Unvergleichlichen durchkreuzt wird.‘

F wie Fälschung

Das Authentische, das hat auch Bitomsky geschrieben, sei ein besonderer Zugriff auf die Dinge. Niemand hat das schöner vorgeführt als Orson Welles in seinem Rätselspiel F FOR FAKE (Samstag, 21 Uhr, Filmmuseum): falsche Models, getürkte Biographen, gefälschte Bilder und als Fluchtpunkte des großen Schwindels Pablo Picasso und Howard Hughes. Dazwischen hält der alte Magier Welles den Jet Set mit Taschenspielertricks in Atem und wirbelt unsere Vorstellungen von Echtem und Falschem, Wahrheit und Lüge gründlich durcheinander.

Das Zittern der Fälscher

Dazu paßt DIE AMERIKANISCHE NACHT (Arena, Sonntag 18.45 und 22.45 Uhr) zum einen, weil sich darin der Regisseur an seine Kindheit erinnert, als er Photos von Welles‘ Citizen Kane aus dem Kinoaushang stibitzte. Zum anderen, weil der Begriff für eine Fälschungsmethode steht, mit der man beim Film den Tag zur Nacht macht. Und in DER AMERIKANISCHE FREUND (Isabella, Donnerstag 15.15 und 20.15 Uhr) von Wim Wenders, der ursprünglich den Highsmith-Roman DAS ZITTERN DES FÄLSCHERS verfilmen wollte, spielt nun der alte Regisseur Nicholas Ray einen New Yorker fälschenden Maler. Die Frage, wie wahr oder falsch Bilder sind, beschäftigt die Größten des Kino aus naheliegenden Gründen immer wieder.

Körperkunst

Das Werkstattkino zeigt Filme aus Hongkong, wo man mit vollem Körpereinsatz für Authentizität bürgt. Der Rest sind mehr oder minder billige Fälschungen. Jeweils um 20.30 und 22.45 Uhr laufen am Freitag LONG ARM OF THE LAW und SWORDSMAN von King Hu und Tsui Hark, in dem einem Hören und Sehen vergeht, weil er die Fortsetzung der Musical-Choreographie mit anderen Mitteln betreibt. Samstag und Sonntag gibt es dann A BETTER TOMORROW II von Tsui Hark und LAST HURRAH FOR CHIVALRY von John Woo, die beide das Kino auf eine Weise beschleunigt haben, daß man das Echo bis nach Hollywood verfolgen kann. Dazu am Samstag im Türkendolch (17 und 21 Uhr) CHUNGKING EXPRESS von Wong Kar-wei, der seine Poesie weniger in der Bewegung als in der Sinfonie der Lichter der Großstadt findet. Wie auch DIE LIEBENDEN VON PONT-NEUF, den das Isabella am Dienstag um 15.15 und 20.15 Uhr zeigt.

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