08. April 1993 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 08.04.1993

Eigentlich sind wir auf Diät, aber dieses Wochenende wird mal kräftig zugelangt.

Tisch und Bett

Im Filmmuseum wird immer noch eifrig getafelt: Dieses Wochenende gibt es französische Cuisine und japanisches Sushi. In Buñuels LE CHARME DISCRET DE LA BOURGOISIE (1972), der am Freitag um 18 Uhr läuft, versucht eine Gesellschaft vergeblich, etwas zwischen die Zähne zu kriegen. Immer wieder kommt etwas dazwischen: Mal liegt der Wirt aufgebahrt auf dem Tisch, dann haben sich Soldaten auf Mannöver eingeladen. In der grausamsten Szene findet sich die Bourgoisie auf einer Bühne wieder, und als sie anfangen wollen, geht der Vorhang auf. So wird aus der Tischordnung das reinste Theater.

Mit vollem Mund

Dazu gibt es um 21 Uhr Louis Malles MY DINNER WITH ANDRÉ (1981), in dem ein Dicker (Wallace Shawn) und ein Dünner (André Gregory) vorführen, warum man mit vollem Mund nicht sprechen soll. Am Samstag kommen zwei Filme aus Japan, was insofern die natürliche Heimat des gastronomischen Kinos ist, als sich dort die Kamera von jeher auf Tischhöhe bewegte: 18 Uhr Ozus SAMMA NO AJI (Wie der Geschmack von Makrelen, 1962) und um 21 Uhr Itamis TAMPOPO (1986). Dazu kann man am Donnerstag in der Spätvorstellung im Theatiner in Hitchcocks TO CATCH A THIEF(1955) sehen, wie die Schwiegermutter ihre Zigarette in einem Eidotter ausdrückt, in Scope und Technicolor. Würg!

Brüste und Schenkel

Fellinis Beitrag zum kulinarischen Kino ist eher gering. Die Fleischeslust hat ihn immer mehr interessiert als jedes Fleischgericht. Immerhin findet er seine Heldinnen offenbar immer zum Anbeißen und zeigt das auch so. Die Lupe spielt bis Mittwoch den gerade mit dem Lebens-Oscar Geehrten rauf und runter: Freitag AMARCORD, Samstag SATYRION, Sonntag DIE NÄCHTE DER CABIRIA, Montag LA DOLCE VITA, Dienstag DIE CLOWNS und Mittwoch JULIA UND DIE GEISTER. Dazu empfiehlt der Koch im Theatiner bis Sonntag JULIA UND IHRE LIEBHABER, ein Südstaaten-Gericht von Jon Amiel.

Im Maxim laufen diese Woche noch die beiden kurdischen Filme SERTSCHAWAN und EIN LIED FÜR BEKO, der eine um 17, der andere um 19 Uhr.

Im Filmmuseum werden am Sonntag nochmal Romuald Karmakars Werke gezeigt: Um 18 und 21 Uhr die Kurzfilme über Riten und Rituale und um 23 Uhr der großartige Film EINE FREUNSDSCHAFT IN DEUTSCHLAND, in dem Hitler vom Kopf auf die Beine gestellt wird, weil man ihm nur so den Boden unter den Füßen wegziehen kann.

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