05. August 1994 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 05.08.1994

Eigentlich sollte man dieser Tage niemanden zum Kinobesuch überreden müssen. Schließlich ist das der einzige Ort, wo man der Hitze entfliehen kann - und dabei auch noch Spaß hat.

Ritter und Zenturien

Das Werkstattkino ist mal wieder voll auf der Höhe seiner Zeit und zeigt coole Filme aus den Siebzigern, nach Romanen des Ex-Cops Joseph Wambaugh, der nach 14 Jahren beim Los Angeles Police Department angefangen hatte, den alltäglichen Schrecken in Bücher zu bannen. Schon die Titel der beiden Filme deuten an, daß es hier um Leute geht, denen die Rollen, die das Leben ihnen zugeschustert hat, immer ein paar Nummern zu groß sind. THE NEW CENTURIONS (21 Uhr) von Richard Fleischer mit George C. Scott und Stacy Keach und THE BLUE KNIGHT (23 Uhr) von Robert Butler mit William Holden erzählen natürlich von Männern, die alles andere als Zenturien und Ritter sind, sondern müde, fehlbare Cops, die sich keine Illusionen mehr machen. Frau Kuhn schreibt dazu: ‚Sie gehen, letztendlich, an der Absurdität ihrer Arbeit zugrunde.‘

Seventies

Die Internationalen Filmkunstwochen haben diesmal etwas originellere Motti als sonst. So zeigt zum Beispiel das Türkendolch eine Reihe zum ‚Lebensgefühl der siebziger Jahre‘, an der man sich unbedingt modisch orientieren sollte. ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN (1967) von May Spils, am Montag um 18.30 und 23 Uhr, ist ein geradezu archäologischer Film über jene Zeit, als Schwabing noch Schwabing und Uschi Glas noch nicht Uschi Glas war. Werner Enke war natürlich immer Werner Enke, und das heißt, er lag rum und wollte nach Möglichkeit auch nichts anderes tun. Ähnlich modisch korrekt ist natürlich auch Antonionis BLOW UP (1966), am Samstag um 18.15 und 23 Uhr, der ebenfalls eine archäologische Expedition ins Swinging London unternimmt. Daß damals alles anfing, seine Form zu verlieren, hat dem Regisseur mindestens so wie seinem Star David Hemmings zu schaffen gemacht. Dazu läuft als echtes Highlight DAS GROSSE FRESSEN (1973), am Dienstag um 18 und 23 Uhr, der beste Film, der je über Tafelfreuden gedreht worden ist, weil er so radikale Zusammenhänge zwischen Essen und Körper, Küche und Tod herstellt, daß einem noch heute ganz schlecht werden kann. Die Genießer werden gespielt von Marcello Mastroianni, Michel Piccoli, Ugo Tognazzi und Philippe Noiret.

Der Liebe verfallen

Unter diesem Motto stehen eine Handvoll Filme, die jeweils um 22.45 Uhr im Arena gezeigt werden: Am Dienstag EIN HERZ IM WINTER von Claude Sautet und am Mittwoch ICH KÜSSE NICHT von André Techiné, beide mit der wunderbar eigensinnigen Emmanuelle Béart, die wie kaum eine andere Schauspielerin die zerstörerische Kraft der Gefühle in ihrem Blick zum Ausdruck bringen kann. Und am Donnerstag DIE LIEBENDEN VON PONT-NEUF von Leos Carax, in dem Juliette Binoche ein wahres Feuerwerk der Leidenschaft entfacht.

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