05. Februar 1992 | Süddeutsche Zeitung | Film-Tips, Rezension | Film-Tips 05.02.1992

Das Schönste im Kino sind die Filme zwischen den Filmen, die Geschichten, die sich ergeben, wenn sich zwei Filme im Kopf treffen.

Das muß nicht immer so naheliegend sein, wie im Falle von Jean Renoirs Stummfilm NANA (Montag um 21 Uhr im Filmmuseum) und Jean-Luc Godards DIE GESCHICHTE DER NANA S. (Montag bis Mittwoch um 22.45 Uhr in der Lupe). Nana verlange nach Farbe und nach Ton, schrieb Renoir in seinen Memoiren: Der Film ist indes schwarzweiß und stumm und war damals 1926 ein gewaltiger Mißerfolg. Catherine Hessling spielt eine kleine Schauspielerin mit Ambitionen, die an der Rolle einer feinen Dame scheitert und als Nutte zugrunde geht. Bei Godard spielt Anna Karina 1962 eine Schallplattenverkäuferin mit Sehnsucht, die die Liebe sucht und als Prostituierte stirbt. Zwei Frauen, die sich verkaufen, weil ihnen das Leben nichts schenkt. Bei Godard kann man sehen, wie schön es ist, einer Frau minutenlang von hinten am Tresen eines Cafés zuzusehen, wie sie einfach nur dasteht.

Working Class

Am Dienstag fängt im Werkstattkino mit LIFE IS SWEET eine kleine Retrospektive mit Filmen von Mike Leigh an, dessen Realismus wirklich nichts Magisches hat, aber dennoch wunderbar ist. Auf einem schmalen Grat zwischen Trost und Verzweiflung wandeln seine Filme, und der Witz liegt in dem unbarmherzig genauen Blick auf die englische Arbeiterklasse. Bei Leighs letztem Film aus dem Jahr 1990 sind die Eltern wesentlich fideler als ihre beiden Töchter, die das Träumen erst noch lernen müssen.

Danach um 23 Uhr startet auch noch eine Reihe mit Filmen von Bernard Rose, von dem in den Kinos gerade CANDYMAN’S FLUCH lief. Es beginnt mit PAPERHOUSE, den der Brite 1987 gedreht hat, und der wie die anderen Arbeiten davon handelt, daß hinter der Wirklichkeit noch ein anderes Reich liegt, dessen Wahrheiten oft schwerer wiegen.

Show Biz

Hollywoods Blick auf sich selbst war noch nie unreflektiert. Schon immer konnte man in den Selbstbespiegelungen, die das Filmmuseum in einer Reihe zeigt, dem Tod bei der Arbeit zusehen. Am melancholischsten bei Wilder (SUNSET BOULEVARD, Freitag 18 Uhr), am turbulentesten bei Sturges (SULLIVAN’S TRAVELS, Freitag 21 Uhr), am verzweifeltsten bei Mankiewicz (THE BARFEOOT CONTESSA, Samstag 18 Uhr) und am feuchtesten bei Donen und Kelly (SINGIN‘ IN THE RAIN, Samstag 21 Uhr).

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