24. August 1998 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Franka Potente 


Im Profil

Franka Potente, 
Schauspielerin und 
Titelheldin von LOLA RENNT

Wenn Schauspieler gut sind, dann vergleicht man sie mit den Helden ihrer Zunft. Wenn Schauspieler jedoch das gewisse Etwas haben, dann greifen keine Vergleiche. Und wenn Franka Potente nun in LOLA RENNT die Titelheldin spielt, dann verbieten sich ohnehin alle Vergleiche, weil der Film etwas ist, was es im deutschen Kino in letzter Zeit so nicht gegeben hat. Die Geschichte des Mädchens, das in 20 Minuten 100 000 Mark auftreiben muß, um ihren Freund vor Gangstern zu retten, wird von Regisseur Tom Tykwer so smart und selbstbewußt erzählt, daß man endlich mal nicht den Eindruck hat, in Hollywood wäre mit mehr Geld, größerem Geschick und anderen Gesichtern ein doch noch besserer Film daraus entstanden. Und daß LOLA RENNT so unverwechselbar ist, hat eben doch mit Franka Potente zu tun, die mit ihrem Mädchengesicht unter feuerrotem Haar der Lola eine Präsenz verleiht, die sich nicht aus Schönheit allein speist.

Schon als Franka Potente vor drei Jahren in NACH FÜNF IM URWALD zum ersten Mal auf der Leinwand auftauchte, war vielen klar, daß sie die Ausstrahlung haben würde, auch mal einen ganzen Film auf ihren Schultern zu tragen. Sie gewann den Bayerischen Filmpreis für Nachwuchsschauspieler und galt fortan als Hoffnung, die sich nach Fernsehproduktionen wie OPERNBALL nun auch erfüllt: Auf LOLA RENNT folgt demnächst Doris Dörries BIN ICH SCHÖN? und beide Filme wurden nach Venedig zu den Filmfestspielen eingeladen, die in zehn Tagen beginnen.

Das zeugt von einem guten Gespür für Stoffe und einer Ausstrahlung, um die bessere Filmemacher in Deutschland einfach nicht herumkommen. Auf jeden Fall bringt Franka Potente mit ihren 24 Jahren jenen Hauch von Jugendlichkeit und Wirklichkeit ins deutsche Kino, den man so lange vermißt hat. Vom Vater her ist sie ein Sechzehntel Italienerin, aber, so sagt sie, „ansonsten total deutsch, in Münster geboren, in Dülmen Abitur gemacht. ” Dann studierte sie auf der Otto-Falckenberg-Schule Schauspielerei, brach das Studium nach den ersten Erfolgen beim Film ab, nahm sich eine Agentin und privaten Schauspielunterricht und zog nach Berlin, wo sie LOLA RENNT drehte. Ihr Regisseur und Freund Tom Tykwer sagt, sie sei die ideale Besetzung gewesen, weil man die Anstrengung spüre, wenn sie läuft. Einer durchtrainierten Model-Schönheit hätte man das nicht abgenommen. Wenn man bedenkt, daß Lola die meiste Zeit rennen muß und jede dieser Szenen mindestens fünf Mal gedreht werden mußte, bis sie im Kasten ist, dann kann man sich vorstellen, daß die Dreharbeiten für Franka Potente der reinste Marathon waren.

Aber für eine Schauspielerin ist das natürlich das reine Glück, so eine Rolle auf den Leib geschrieben zu bekommen. Kein Wunder, daß sie hinterher sagte: „Nach den Dreharbeiten habe ich Lola sehr vermißt, aber mittlerweile bin ich selbst nach Berlin gezogen und komme oft an den Drehorten vorbei. ” Vielleicht ist das eines der Geheimnisse ihres Erfolgs: daß sie die Figuren, die sie verkörpert, hinterher tatsächlich vermißt. Als handele es sich um Zwillingsschwestern.

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