18. Januar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Porträt | Tippi Hedren

Tippi Hedren

Melanie, Marnie und Martha

Tippi Hedren zum Achtzisten

Ihre ersten Regisseure hießen Hitchcock und Chaplin. Das kann sonst niemand von sich behaupten – und lässt wenig Raum nach oben. Wenn es nach Alfred Hitchcock gegangen wäre, hätte es außer ihm keinen anderen Regisseur in Tippi Hedrens Leben gegeben. Er hatte das erfolgreiche Model in einer Werbung für den Diätdrink Sego entdeckt und fand in ihr die ersehnte Nachfolgerin von Grace Kelly, an deren kühlen blonden Sex-Appeal weder Eve Marie Saint noch Vera Miles herangekommen waren. Sie unterzeichnete einen Exklusivvertrag, der vorsah, dass sich der Meister selbst um jedes Detail ihrer Erscheinung kümmerte. Und noch ehe ihr erster Film zu sehen war, pries er ihre Vorzüge gegenüber Grace Kelly: Sie sei schneller, großstädtischer, humorvoller.

Mit dieser Meinung stand Hitchcock allein. Im Grunde blieb sie in DIE VÖGEL und ein Jahr später in MARNIE ein Modell, aber eben eines für Hitchcocks Frauenphantasien. Dieses leicht Steife, dieser verwöhnte Zug um den Mund, der signalisierte, dass ihr die Welt etwas schuldig geblieben ist, passte zu Melanie in den „Vögeln“ und zu Marnie, denen der sadistische Erzähler so zusetzte, dass sie früher oder später in den beiden Filmen zu wehrlosen Mädchen regredierten. Zuerst war das noch den Vögeln zuzuschreiben, obwohl Hitchcock keine Gelegenheit ausließ, deren Gefahr mit dem Auftauchen der Frau parallel zu führen. In „Marnie“ ist es jedoch Sean Connery, der die Titelfigur mit ihrem Geheimnis erpresst, sie zur Heirat zwingt und sie quasi vergewaltigt. Gerade durch die Distanz, mit der sie die räuberische Femme fatale spielt, die in die Falle tappt, wird aus Marnie eine der interessantesten Frauenfiguren Hitchcocks – ein Mädchen, das einst den Liebhaber ihrer Mutter umgebracht hat. Zu Connery, der ihr Spiel durchschaut hat, sagt sie: „Sie denken, ich sei eine Art Tier, das Sie gefangen haben.“

Das dachte wohl auch Hitchcock, aber sein Vögelchen wollte dem goldenen Käfig entkommen. Hitchcock rächte sich, indem er sie weiterbezahlte, aber nicht gehen ließ. Erst nach zwei Jahren verkaufte er sie an Universal, doch außer Chaplins GRÄFIN VON HONGKONG, wo sie Marlon Brandos betrogene Ehefrau spielte, kam nicht mehr viel. 1981 kam ROAR ins Kino, ein Raubkatzendrama, das Tippi Hedren mit ihrem zweiten Mann Noel Marshall produziert hatte. Elf Jahre Arbeit für einen der damals teuersten Flops der Geschichte. Die Sache kostete sie am Ende ihre Ehe, aber auch dies konnte Tippi Hedren nicht davon abhalten, den Raubkatzen fortan ihr Leben zu widmen. Seit 1983 hält sie im Shambala-Reservat nordöstlich von Los Angeles etwa siebzig Löwen, Tiger und Geparden und wird dort am 19. Januar ihren achtzigsten Geburtstag im Kreise ihre Freunde feiern: Marlon Brando, Rod Taylor, Antonio Banderas, John Saxon. So heißen ihre Tiger. Nach Hitchcock hat sie keinen benannt.

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