03. März 1999 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Gérard Depardieu

Im Profil

Gérard Depardieu - 
Französischer Schauspieler 
und Obelix-Darsteller

Auch wenn er in Wirklichkeit nicht ganz so dick und nicht halb so schwer von Begriff ist, kann man den 50jährigen Gérard Depardieu durchaus als Idealbesetzung für die Rolle des Obelix in der Comic-Verfilmung ASTERIX UND OBELIX bezeichnen. Denn der Schauspieler ist wie das Vorbild eine echte Naturgewalt. Und Obelix’ unstillbarer Appetit auf Wildschweinbraten findet durchaus seine Entsprechung in Depardieus Hunger nach Rollen, der bei ihm als beinahe fleischliche Lust spürbar wird. In über hundert Filmen hat der Franzose aus Châteauroux schon gespielt, was schon deshalb erstaunlich ist, weil Stars von seinem Rang in der Regel aus Sorge um ihr Ansehen so wählerisch sind, daß sie selten auf mehr als ein, zwei Filme im Jahr kommen. So umfangreiche Filmographien können sonst allenfalls Nebendarsteller vorweisen.

Gérard Depardieu hingegen stürzte sich mit einer Hingabe in seine Karriere, als hinge sein Leben davon ab. Und in gewisser Weise war es auch so, weil in der Provinz sein Leben als voyou, als Herumtreiber, Schläger und Trinker schon vorgezeichnet schien, ehe er sich in die Literatur und das Theater rettete. Allerdings hat ihm seine Herkunft 1991 die Oscar-Chancen verbaut, weil er in einem Interview zur Illustration der rauhen Verhältnisse, aus denen er kommt, gestanden haben soll, er habe als Neunjähriger „an einer Vergewaltigung teilgenommen”. Depardieus Versicherungen, so etwas weder gemeint noch gesagt zu haben, halfen ihm nichts – in Amerika galt er fortan als Vergewaltiger, und es blieb bei der Nominierung für die Titelrolle in CYRANO, für die er allerdings an anderer Stelle eine Goldene Palme und einen César gewann.

Was immer man von der Affäre halten mag, unterstrich sie doch das Bild des – wie es die Amerikaner nannten – „Primitiven” oder – freundlicher ausgedrückt – des Instinktmenschen Depardieu, der sich später auch seinem Metier nicht intellektuell nähert, sondern eher aus dem Bauch heraus spielt. Für einen Autodidakten hat er erstaunlich viele anspruchsvolle Regisseure begeistert: Marguerite Duras, Alain Resnais, Claude Sautet, Marco Ferreri, Bernardo Bertolucci, François Truffaut, Jean-Luc Godard und Bernard Blier sind nur einige davon. Er war aber auch in Amerika mit GREEN CARD und 1492 (als Columbus) erfolgreich.

Während er früher eher die kleinen Gauner und Herumtreiber spielte, da verleiht er nun immer öfter historischen oder literarischen Figuren Gewicht: Danton, Rodin, Balzac oder dem Grafen von Monte Christo zum Beispiel. Er hat dafür offenbar das richtige Format, weil sich in seiner Erscheinung eine gewisse Grobschlächtigkeit mit einer enormen Sensibilität verbinden. Wobei seine Lebenswut ASTERIX UND OBELIX kurzzeitig gefährdete. Als er sich bei einem Motorradunfall verletzte, verlor er seinen Führerschein und mußte pausieren, was die ohnehin schon teuerste europäische Produktion aller Zeiten nach Schätzungen des Branchenblatts Variety über fünf Millionen Mark kostete. Aber es sieht fast so aus, als habe sich sein Einsatz dennoch gelohnt.

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