24. Dezember 1999 | Süddeutsche Zeitung | Porträt | Humphrey Bogart

100 Jahre Einsamkeit: Humphrey Bogart

Entzückendes Bild: Humphrey, Stephen und Lauren, dazu die Boxerhunde Harvey, George und Baby – eine heilige Familie des Kinos. Wenn man die Autobiografie des Sohnes Stephen liest, weiß man natürlich, dass alles ganz anders war. Das Bild, das sich die Welt von Bogart macht, hat das nicht erschüttern können. Wenn die Monroe die weibliche Ikone des Kinos ist, dann ist Bogart die männliche Entsprechung: ein Sinnbild fürs Kino selbst und für alles, was damit einhergeht. Die im Mundwinkel hängende Zigarette, der ins Gesicht gezogene Hut und die in den Trenchcoat vergrabenen Hände sind so millionenfach reproduziert worden, dass Bogart geradezu zum Werbemännchen geschrumpft zu sein scheint. In dem Zusammenhang ist sein Satz, er halte seinen Kopf für niemanden hin, natürlich der reinste Witz. Deshalb fällt es, wenn man an Bogart denkt, ziemlich schwer, hinter dem übermächtigen Image das Bild des Schauspielers scharfzustellen. Und wo das gelingt, da wird man zwangsläufig feststellen, dass es auch zu seiner Zeit coolere, talentiertere und schönere Männer gegeben hat. Andererseits wird einer ja auch nur zum Star, wenn er bestimmten Gefühlen und Sehnsüchten ein Gesicht verleiht. Und seit sich der Kult des Films CASABLANCA bemächtigt hat, ist das nun mal Bogart. Er muss seither für unsere Hoffnung einstehen, hinter der ganzen Einsamkeit unseres Jahrhunderts stecke womöglich mehr als nur das Gefühl von Isolation, nämlich eine Haltung, die es unter allen Umständen zu bewahren gilt. Eine schöne Illusion, die von der Vietnam-generation vor allem deswegen so bereitwillig gekauft wurde, weil dabei Verweigerung und Heldentum so eine schlüssige Verbindung eingingen. Dass da jemand eine gute Figur abgibt, der irgendwo am Ende der Welt mit einem Kumpel über einem Whiskey seinen Erinnerungen nachhängt, statt sein Glück in der Liebe zu finden, ist ja auch verdammt tröstlich. Und bei alldem hat natürlich geholfen, dass Bogart mit seinem Genuschel schon so spielte, als wisse er, dass das alles nur ein schönes Märchen ist. Am ersten Weihnachtsfeiertag vor hundert Jahren ist Humphrey Bogart zur Welt gekommen – ein Familienmann war er sicher nicht, aber als Erlöser im Reich der Illusionen machte er schon eine ziemlich gute Figur.

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