18. Januar 2010 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Porträt | Daniel Auteuil

Ein Herz im Winter

Die Seele ist eine Dialektikerin: Warme Liebe zu den kostbaren Dingen und der Gefrierbrand gegenüber der Begehrten

Wenn einer sechzig wird und im Jahr zwei, drei, vier Filme macht, dann muss man vielleicht nicht aus ganz großer Höhe auf sein Leben blicken und auch noch nicht den ganzen Karriereteppich ausbreiten. Daniel Auteuil ist allgegenwärtig im französischen Film: Sechzig Filme in den letzten dreißig Jahren, in Frankreich bekannt geworden durch einen Film mit dem idiotischen Titel GLÜCKWUNSCH…MAL WIEDER SITZEN GEBLIEBEN, international 1986 mit der Rolle des Ugolin in den Pagnol-Verfilmungen JEAN DE FLORETTE und MANONS RACHE, an deren Ende er sich umbringt, weil ihn Emmanuelle Béart nie erhören wird. Im wirklichen Leben hat er sie geheiratet und war elf Jahre mit ihr zusammen.

Das bewegendste Dokument ihrer Beziehung ist jedoch ein anderer Film, in dem sie nicht zusammenkommen, Claude Sautets EIN HERZ IM WINTER. Er repariert Geigen, sie ist Violinistin. Er verehrt sie, aber als sie sein Interesse zu erwidern beginnt, zieht er sich zurück. Und je heftiger sie ihn bedrängt, desto eisiger reagiert er. Ein monströser und zugleich zärtlicher Film, der im Grunde von nichts anderem handelt als seiner Unfähigkeit, Gefühle zuzulassen. Und natürlich liegt das ganze Wunder dieses Films in den Gesichtern seiner Schauspieler, im Glühen Emmanuelle Béarts und in einer Art Gefrierbrand bei Auteuil. Seine Knopfaugen, die oft genug schalkhaft aufblitzen können, sind hier fast stumpf, der Blick verloren in einer unergründlichen Lebensmüdigkeit. Als habe er all die Liebe, zu der er fähig ist, in die Sorgfalt gelegt, mit der er die Instrumente behandelt. Es gibt im Kino kaum andere Helden, die sich so mutwillig ihrem Glück verschlossen haben. Was immer in seiner Karriere noch kommen mag – das bleibt schon mal.

Daniel Auteuil war zwölf Mal für den César nominiert und hat ihn zwei Mal gewonnen, genauso oft den Europäischen Filmpreis, zuletzt für Hanekes CACHÉ. Am 24. Januar wird der Sohn zweier Opernsänger aus Avignon sechzig. Vergangenen September hat er mit seiner Frau, einer korsischen Bildhauerin, einen Sohn bekommen. Schätzungsweise herrscht in seinem Herzen Frühling.

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