17. Januar 1998 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Luggi Waldleitner

König Ludwig

Filmproduzent Luggi Waldleitner gestorben

Gerade zum Bayerischen Filmpreis, der nun im Zeichen seines Todes stand, hat man wieder jene Szene vor Augen, die sich von der Verleihung ein Jahr zuvor eingeprägt hat. Da wurde der 83jährige Luggi Waldleitner mit seinen jungen Mitproduzenten für Jenseits der Stille auf die Bühne gerufen und wollte sich, obwohl er sichtlich nicht mehr so gut zu Fuß war, partout nicht die Stufen hinaufhelfen lassen. Deshalb dauerte es eine zeitlang, bis er oben anlangte, und es war, als habe der alte Herr in diesen Sekunden nochmal zeigen wollen, wer hier den Takt vorgibt. Das war das eine.

Das andere, was an dieser Szene zu Herzen ging, war die Tatsache, daß es schon von beachtlichem Instinkt zeugt, in diesem Alter noch zu wissen, welche Projekte Erfolg versprechen. Das nennt man dann wohl Riecher – und genau das ist es, was Produzenten vor allem besitzen müssen. Auch wenn Waldleitner da widersprochen und zuerst Disziplin genannt hätte. Im Zweifelsfall braucht man beides – und Glück dazu.

Ein Glück war es, nach dem Krieg, beim Skifahren in Obergurgl, Ilse Kubaschewski kennenzulernen; Disziplin gehörte dazu, mit ihr zusammen ein Kino in Oberstdorf, dann einen Filmverleih (Gloria) und schließlich eine Produktion (Roxy) zu gründen; und einen Riecher brauchte er, um in den Fünfzigern auf DIE BARRINGS, DAS MÄDCGEN ROSEMARIE, EL HAKIM zu setzen und in den Siebzigern mit Regisseuren wie Fassbinder (LILI MARLEEN) und Geissendörfer (DIE GLÄSERNE ZELLE) zu drehen. Und all das zusammen ergibt am Ende wahrscheinlich das, was man Charakter nennt.

Davon braucht man jede Menge, wenn man sich in Deutschland als Produzent über so lange Zeit an der Spitze halten will. Und wie kein anderer besaß Waldleitner das Talent, mit allen zu können und trotzdem den eigenen Willen durchzusetzen. Er selber brachte das auf die Formel: „Politisch stehe ich im rechten Lager, mit den Linken arbeite ich, mit den Liberalen vergnüge ich mich. ”

Als sein Spezi Franz-Josef Strauß ihn bei Lili Marleen dennoch fragte, ob es denn ausgerechnet ein Film mit Fassbinder sein müsse, soll Waldleitner geantwortet haben: „Ich habe ja auch nichts dagegen, wenn du mit dem Breschnew essen gehst. ” Das ist die speziell bayrische Art des Filmemachens, zu der es auch gehört, daß ein Bub aus Kichseeon, wenn er dann den Produzenten spielt, Havannas raucht und einen Pontiac fährt.

Luggi Waldleitner hat das Kino nicht neu erfunden, aber mit all seinen Heimat- und Simmel-Filmen kann man schon sagen, daß er zeitweise den Blick der Deutschen auf die Welt mitgeprägt hat. Und was ohne ihn aus der Bayerischen Filmförderung, der Bavaria oder den Münchner Filmwochen geworden wäre, mag man sich gar nicht vorstellen. Er hatte überall die Finger drin – wie es sich für Produzenten eben gehört.

Am Donnerstag ist Waldleitner im Alter von 84 Jahren in einer Innsbrucker Klinik gestorben. Im deutschen Film geht die Zeit zu Ende, in der jemand, der Ludwig heißt, von allen Luggi genannt werden durfte.

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