28. Dezember 2000 | Süddeutsche Zeitung | Nachruf | Jason Robards

Das drucken wir

Der Schauspieler Jason Robards 
ist mit 78 Jahren gestorben

Es war ein langer Abschied. Bei seinem letzten Auftritt in dem Film MAGNOLIA spielte Jason Robards den Patriarchen, der auch als lebende Leiche auf seinem riesigen Sterbebett die Umgebung in seinen Bann schlägt – als würde seine einstige Autorität noch wie ein Echo durch den Raum geistern und die Leute terrorisieren. Robards sterbliche Hülle war das unbewegliche, leere Zentrum dieses Figurenreigens – und kein Zuschauer hatte Probleme, dieses Vakuum mit all den eindrucksvollen Figuren zu füllen, die der Mann in seinem Leben schon gespielt hat. Der Trick funktionierte – dann starb er. Jetzt ist Jason Robards auch im wirklichen Leben gestorben, 78 Jahre alt, Krebs.

Um zu begreifen, welchen Rang Robards wirklich gehabt hat, hätte man ihn womöglich auf der Bühne erleben müssen, die ihm immer mehr war als nur ein zweites Standbein. Legendär sollen seine Auftritte in den Fünfzigern gewesen sein, als er quasi im Alleingang Eugene O’Neill als führenden Theaterautor etabliert hat. Aber auch später behauptete er, das Theater habe ihn am Leben gehalten und ihm erlaubt, an seinem Handwerk zu feilen. Das ändert aber nichts daran, dass er es auf der Leinwand zu Ruhm gebracht hat und zu Rollen, die ihm einen Platz in unserem Herzen sichern. Für Zeitungsleute war es genauer gesagt eine Rolle, die ihn unsterblich gemacht hat und für die er 1976 völlig zu Recht auch einen Nebendarsteller-Oscar gewonnen hat.

Jason Robards spielte in Alan J. Pakulas Watergate-Film ALL THE PRESIDENT’S MEN, zu deutsch DIE UNBESTECHLICHEN, den Chefredakteur der Washington Post, einen Mann namens Ben Bradlee. Mag sein, dass der Film und seine Rolle von Dingen lebten, die mit dem Schauspieler selbst nicht viel zu tun hatten, aber das gehört zu einer Karriere in dieser Branche dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Robards also war der Chefredakteur, den jeder Journalist gerne gehabt hätte, hart, aber gerecht, unbestechlich, aber menschlich, hemdsärmlig, aber gepflegt – ein Mann, der aus seiner Meinung keinen Hehl macht und dessen Gedanken man doch nie erraten kann. Auch hier war er das heimliche Zentrum des Films, dessen Entscheidungen die Reporter Woodward und Bernstein bei jeder ihrer Aktionen ausgeliefert waren. An seinen prüfenden Blicken, so hatte man den Eindruck, hing das Schicksal der ganzen Nation – und man zweifelte keine Sekunde daran, dass Robards dafür genau der Richtige war. Vielleicht hätte man ihm nicht unbedingt die eigenen Kinder anvertraut, aber die Zukunft des Landes jederzeit. Er war die Sorte Mann, der in jedem Job ein Profi ist, aber als Familienmensch eine Katastrophe. Solche Männer hat Amerika schon immer brauchen können.

Da war es also kein Zufall, dass Jason Robards immer wieder Präsidenten und Generäle gespielt hat, Lincoln natürlich, Roosevelt, Grant, aber auch Al Capone und Andrei Sacharow und allerlei gebrochenere Figuren, den Schriftsteller Dashiell Hammett etwa, für den er 1977 in „Julia” gleich noch einen Oscar bekam, den Ganoven Cheyenne in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD oder den mysteriösen Milliardär Howard Hughes, der in Jonathan Demmes MELVIN AND HOWARD einem Unbekannten sein ganzes Vermögen vererbt. Man kann eigentlich nicht behaupten, dass er in vielen großen Filmen mitgespielt hätte, aber was er auf der Leinwand machte, das machte er richtig.

Im wirklichen Leben lagen die Dinge nicht ganz so einfach. Jason Robards war Alkoholiker, und sein Stiefsohn Stephen Bogart schrieb in seiner Autobiografie, Robards sei nüchtern sehr charmant, aufmerksam, freundlich und sanft gewesen – unglücklicherweise sei er aber häufig betrunken gewesen. So dauerte seine Ehe mit Lauren Bacall nur acht Jahre. Fünf Jahre später, 1974 hat er dann aufgehört zu trinken. Und womöglich war er das Theater und die Disziplin, die die Bühne den Ihren abfordert, dass er überhaupt irgendwann damit klar kam.

Lange Jahre war Jason Robards ein Junior, der das Kürzel „jr. ” an seinem Namen trug. Denn schon sein Vater Sam hatte es in 170 Filmauftritten zu Ruhm gebracht – irgendwann war Jason diesem Schatten jedoch entwachsen. Dabei hatte er noch während seiner Jugend in Hollywood geschworen, nicht dem Beispiel des Vaters zu folgen, sondern hat sich stattdessen in diversen Sportarten betätigt, ehe er doch auch der Bühne erlag. Das muss man dann doch als großes Glück bezeichnen.

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