11. Dezember 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Kommentar | Megafilme

Im Reich der Megafilme

Aller guten Dinge sind einszweidrei

Nächste Woche steht der neueste Megasuperblockbuster an, der dritte Teil vom HERRN DER RINGE, im Unterschied zu den letzten beiden Jahren ohne Geleitschutz von Harry Potter, zum Ausgleich gab es dieses Jahr auch gleich zweimal MATRIX. Man hat bei dem ganzen Rummel vorneweg, nebenher und hintennach mittlerweile den Eindruck, daß man die Filme schon gesehen hat, ehe man überhaupt im Kino gewesen ist. Oder daß es eigentlich völlig egal ist, ob man sie tatsächlich irgendwann sieht. Das liegt allerdings weniger an der Videopiraterie als an der Art und Weise, wie diese Filme jedesmal paßgenau den Erwartungen entsprechen, falls man nach den vorausgegangenen Folgen überhaupt noch solche hat. Und stets wird die gleiche Litanei heruntergebetet: von den mitternächtlichen Schlangen vor den Kinos, von den Fans, die die Filme schon zigmal gesehen haben, von den Enthusiasten, die zur Premiere ans Ende der Welt pilgern, von dem Erfolg, der immer noch mehr Erfolg gebiert. Mit den Filmen selbst hat das schon nichts mehr zu tun, sondern erinnert an die Sorte Fantum, die es etwa beim Fußball gibt, wo die Liebe zum Verein auch losgelöst ist von der Frage, ob die Mannschaft gut oder schlecht spielt. Die Fans dieser Filme scheinen sich die Frage auch nicht mehr zu stellen, Hauptsache, man ist dabeigewesen.

Dabei gebärden sich die Filme zwar als jeweils singuläre Ereignisse, bauen aber immer häufiger auf einen Seriencharakter, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Auch dort kommt es weniger auf die Qualität der einzelnen Folge an als auf die Grundkonstellation, in der man sich mehr oder weniger wohlfühlt. Nirgends wurde die Schlichtheit dieses Konzepts von Fortsetzungen so deutlich wie in MATRIX: Im ersten Teil kämpfte Neo gegen einen Agenten Smith, in MATRIX RELOADED war es schon ein Haufen identischer Smiths und in MATRIX REVOLUTIONS eine ganze Armee. Und alles sah so aus, wie man es sich vorgestellt hatte – das Original lebte aber genau davon, daß es Dinge zeigte, von denen wir uns bis dahin noch nicht mal hätten träumen lassen. Und das Schlimmste ist, daß die Regisseure selbst irgendwann an die eigene Bedeutung glauben, die ihnen von den Filmkampagnen zugesprochen wird. So sehen ihre Filme dann auch aus.

Um so schöner, daß auf der Jahresbestenliste des National Board of Review, die traditionell den Reigen der amerikanischen Preissaison eröffnet, der schon im Vorfeld als „sicherer“ Oscar-Kandidat gehandelte LORD OF THE RINGS: THE RETURN OF THE KING nicht einmal unter den Top Ten auftaucht und sich mit einer Erwähnung fürs Schauspieler-Ensemble begnügen muß. Und noch schöner, daß auf dem ersten Platz Clint Eastwoods wunderbarer MYSTIC RIVER landete, der einen daran erinnert, daß es auch im amerikanischen Kino um mehr geht als nur falschen Zauber. Weitere Preise gingen an Sean Penn und Diane Keaton (für SOMETHING’S GOTTA GIVE), an den Regisseur Edward Zwick für THE LAST SAMURAI sowie an die Drehbücher für COLD MOUNTAIN und IN AMERICA. Man wird sehen, wer Lord of the Oscars wird.