01. Februar 2001 | Süddeutsche Zeitung | Interview | Charles Schumann

Wer die Nacht zum Tag macht

Der Barmann Charles Schumann erzählt, warum er jetzt auch noch ein Café eröffnet

Am Rande der Fünf Höfe, in der Maffeistraße 6, eröffnet Charles Schumann eine so genannte Tagesbar, die wie die berühmte Bar in der Maximilianstraße seinen Namen trägt: Schumann’s Tagesbar.

SZ: Sie machen seit fast 20 Jahren eine Bar in München. Warum eröffnen Sie jetzt ein Café?
Schumann: Ich wehre mich gegen den Ausdruck Café. Wir machen eine Tagesbar, aber natürlich gibt es da vor allem Kaffee, weil wir zum einen die Leute ja nicht zum Alkohol verführen möchten und es zum anderen genügend Leute gibt, die tagsüber keinen Alkohol trinken. Dass wir auch tagsüber etwas machen müssten, dachten wir, seit es das Schumann’s gibt. Ich wollte immer eine südländische Café-Tagesbar haben. Es gab auch schon ein paar Mal Ansätze: Das Objekt am Hofgarten, das man mir lange versprochen hatte, war auch ideal geeignet. Aber im letzten Augenblick ist es woanders hingegangen – da habe ich mich sehr geärgert.
SZ: Ist die Lage an den Fünf Höfen also nur zweite Wahl?
Schumann: Die Ecke ist schon sehr schön, aber im Grunde wollte ich es eigentlich ruhiger haben, und da hätte sich der Hofgarten schon besser geeignet. Jetzt liegt der Laden aber vom Geschäftlichen her ganz prima – nicht in einer absoluten Einkaufsstraße, aber auch nicht sehr weit weg davon.
SZ: Es heißt ja, der Erfolg der Bar hänge sehr an Ihrer Person. Haben Sie überhaupt Zeit für einen zweiten Laden?
Schumann: Ich wollte nie einen zweiten Laden machen, denn das Schumann’s ist tatsächlich immer ein personenbezogener Laden gewesen. Es ist zwar so, dass ich im Alter weniger schlafe und auch ohne größere Probleme 16 Stunden unterwegs sein kann, aber es wird sicher nicht so ablaufen, dass ich um acht in die Tagesbar gehe und dann hierher komme. Ich werde dann schon, wenn das mal angelaufen ist, wieder die meiste Zeit hier verbringen. Ich weiß natürlich, dass da eine ganze Menge zusätzlich auf mich zukommt, und habe durchaus manchmal Zweifel.
SZ: Machen Sie das jetzt also, um sich nochmal etwas zu beweisen?
Schumann: Brauchen tue ich es sicher nicht. Es gab eher die Überlegung, ganz aufzuhören und wirklich zu verschwinden nach so vielen Jahren – und meinen Leuten zu sagen: Macht ihr weiter. Wenn man so lange in der Gastronomie arbeitet, dann weiß man ja um alle Schwachpunkte solcher Läden, und es wird ja wirklich immer schwieriger.
SZ: Was heißt das genau?
Schumann: 20 Jahre lang schau ich auf der Maximilianstraße jetzt zu: Was sich da alles getan hat. Das kippt natürlich irgendwann mal. Ein bisschen Idealist bin ich ja immer noch nach so vielen Jahren, sonst würde ich nicht jeden Tag hier reinrennen. Aber wenn ich mir die Straße ansehe, dann hat sich im Sommer die Straße total verändert. Kaum kommen die ersten Sonnenstrahlen raus, geht es hier zu wie auf der zweiten Leopoldstraße, und an ganz heißen Sommertagen denkt man, man sei hier in Ibiza.
SZ: Und warum macht Ihre Tagesbar schon um neun zu?
Schumann: Nachts ist ein Lokal viel schwerer in den Griff zu kriegen als tagsüber. Da hätte ich schon Bedenken. Es wird dort ja kein Essensrestaurant, wir werden keine Pfannen schwenken und Bratkartoffeln machen. Fleisch will ja momentan sowieso niemand haben. Das würde ich mir nicht mehr antun, dass ich dort auch noch abends aufmache.
SZ: Und was ist Ihr Rezept für die Tagesbar?
Schumann: Wir versuchen, das nicht zu teuer zu gestalten, dass es sich auch die meisten leisten können. Wir möchten als Gäste die Leute, die tagsüber da arbeiten. Wir machen auch sehr früh auf, um acht Uhr. Es wäre schön, wenn Leute, die um neun Uhr zu arbeiten anfangen, hier einen Kaffee trinken und Zeitung lesen würden. Im Schumann’s ist ja im Laufe der Jahre auch etwas entstanden, was wir uns am Anfang nicht vorgestellt haben, aber es ist dann einfach gewachsen.
SZ: Was haben Sie sich denn vorgestellt?
Schumann: Wenn man 20 Jahre jünger ist, dann träumt man von Sachen wie jetzt meine Leute, die noch ganz jung und voller Enthusiasmus sind und einfach glauben, eine Bar muss der Nabel der Welt sein. Wir haben anfangs natürlich an Bars gedacht, die wir aus der Literatur kannten, an Trinken und Abgeschlossenheit, an Ruhe und blaue Stunde. In meinem ersten Barbuch habe ich damals geschrieben: Wer möchte nicht gerne mit seinen Gästen alt werden oder umgekehrt. Das triefte ja nur so. Davon sind wir meilenweit weg. Ich will das jetzt nicht nach unten ziehen, aber es wird immer schwieriger.
SZ: Trotzdem hat man den Eindruck, dass in München mehr Lokale denn je aufmachen.
Schumann: Wer ein Lokal nach dem anderen aufmacht und von Qualität redet, meint Quantität – da kann man keine Philosophie dahinter setzen. Das ist einfach unwahr und heuchlerisch.
SZ: Worauf kommt es denn an?
Schumann: Die Gebrüder Costes in Paris sagen immer, das Wichtigste sei die Lage. Aber was heißt das schon? Wenn ich ein Speiserestaurant machen will, dann ist mir egal, welche Lage ich habe. Wenn ich eine Bar machen will, dann ist die Lage schon wichtig. Man kann nicht eine Cocktailbar in einem Vorort machen, da gehen die Leute nicht hin. Früher hieß es, ein großes Hotel muss in der Nähe sein, ein Theater auch, das sind Kriterien, die auch heute noch zutreffen.
SZ: Woran sieht man, ob ein Lokal lebt?
Schumann: Ich spüre schon, ob in einem Lokal ein Geist ist, ob ein Laden benutzt wird oder alle nur hinlaufen, weil man da halt gerade hinlaufen muss. Bei uns geht es nur darum: Wo ist was Neues, wo ist was Cooles, wo muss man hin? In Paris ist das doch noch anders. Die Stadt ist einfach so groß, dass dieser Rummel noch nicht überall angelangt ist.

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