14. August 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Interview | Francois Ozon

Wenn Hirsche ihr Geweih abstoßen

François Ozon über Romy Schneider und andere Frauen am Rande des Swimmingpools

Welcher Impuls stand am Anfang Ihres Projekts SWIMMINGPOOL?
Der Ausgangspunkt war nach 8 FRAUEN, das Vergnügen am Filmemachen wiederzufinden. Ich fand das Schreiben und die Montage sehr aufregend, aber natürlich waren das Casting und die Dreharbeiten sehr anstrengend, auch wenn es immer Spaß macht, mit Freunden zu arbeiten. Es schien mir nötig, zu einer reflexiveren Art zurückzukehren, mich mehr auf mich selbst und meine Arbeit zu konzentrieren. So gesehen, ist der Film fast ein Autoporträt, weil es darum geht, wie und wo man Inspiration findet.
Mit dieser Absicht haben Sie sich also ans Schreiben gemacht?
Nein, zuerst habe ich Charlotte Rampling getroffen, der ich sehr nahe bin seit der Erfahrung mit UNTER DEM SAND, und sie gefragt, ob sie eine britische Schriftstellerin spielen will, die ein bißchen zuviel trinkt, nicht sexy ist, ungeschminkt, und die nach Frankreich fährt, um Inspiration für ihr nächstes Buch zu finden.
Aber da fehlt doch noch ein Schritt dazwischen….
Das sind Sachen, die lange in mir wachsen, da gibt es eigentlich kein präzises Ereignis, und wenn, dann erinnere ich mich nicht daran, das ist ein viel zu konfuser Prozeß, den ich auch gar nicht überbewerten will. Er findet jedenfalls sehr nah an meinem Unterbewußtsein statt, und ich lasse die Sachen einfach kommen.
Wußten Sie zu dem Zeitpunkt bereits, wie sich die Geschichte entwickeln wird?
Nein, ich wußte nur, daß sie Streit mit ihrem Verleger hat. Und daß ich mit den Klischees spielen würde, die es bei den Engländern über die Franzosen gibt.
Aber Sie brauchten Charlotte Rampling?
Ja, sie mußte erst zusagen, ehe ich mich in das Abenteuer stürzen konnte. Das ist eine Rolle, für die ich keine andere Besetzung gewußt und gewollt hätte. Ich wollte kein Casting machen und hatte nach SOUS LE SABLE einfach große Lust, wieder mit ihr zusammenzuarbeiten.
Und wann stieß Ludivine Sagnier dazu?
In 8 FRAUEN habe ich sie etwas vernachlässigt, weil es da all die anderen Frauen gab, um die ich mich kümmern mußte, während sie in gewisser Weise meinen Part innehatte, denn schließlich ist sie es, die die Fäden zusammenhält und das Geschehen um sie herum beobachtet. Danach hatte ich Lust, sie wieder stärker zu inszenieren, ihre Feminität zu betonen. Weil sie eine Freundin ist, weiß ich, daß sie als Schauspielerin wirklich verschiedene Rollen spielen kann. Das ist in Frankreich nicht die Regel, das Land ist voller junger Schauspielerinnen, die alle nur einen Typ beherrschen. Ludivine kann alles mögliche: hübsch sein, natürlich, banal – ihre Fähigkeit zur Verwandlung ähnelt amerikanischen Schauspielerinnen. Darin ist sie das genaue Gegenteil von Catherine Deneuve.
Haben Sie sich von Jacques Derays Film LA PISCINE inspirieren lassen?
Nein, den habe ich erst hinterher wiedergesehen. Aber er ist meiner Meinung nach schlecht gealtert. Auch wenn die frühen Siebziger jetzt wieder in Mode sind. Ich mochte die Atmosphäre, aber der Plot war etwas langatmig. Allerdings sind Romy Schneider und Alain Delon zusammen sehr sexy, und man kann die Anziehungkraft zwischen den beiden spüren, besonders in der sadomasochistischen Szene, die in den Siebzigern sehr provokativ war.
Romy Schneider taucht in Ihren Filmen immer wieder als eine Art Überfrau auf.
Ich habe Romy Schneider schon immer geliebt, seit ich in meiner Kindheit SISSI gesehen habe. Und als es darum ging, welche Schauspielerin das Bild in dem Medaillon in 8 FRAUEN zieren soll, war es für mich völlig klar, daß es Romy Schneider sein muß, weil sie meine Lieblingsschauspielerin war und weil sie immer eine Antipodin zu Catherine Deneuve war. Sie berührte die Menschen und konnte ihre Gefühle zeigen, Catherine Deneuve ist kalt und distanziert, und man weiß nichts über ihr Privatleben. Romy war ihren Rollen immer sehr nah, Catherine nicht – das ist ja womöglich auch der Grund, warum sie noch unter uns und Romy Schneider tot ist…Ich fand es eine gute Idee, auf diese Weise eine Beziehung zu Emanuelle Béart herzustellen, die ja nach Romys Tod ihre Rolle in den Filmen von Claude Sautet übernommen hat und in derselben Tradition steht.
Haben Sie denn einen Lieblingsfilm mit Romy Schneider?
Mein Lieblingsfilm ist LUDWIG II., eine erwachsene Form von Sissi. Ich bin nicht sicher, ob sie wirklich in so vielen Meisterwerken mitgespielt hat, aber sie ist eine große Schauspielerin mit sehr großer Präsenz, sie war sehr gut in ganz alltäglichen Dingen und Gesten. Darin ist sie Charlotte Rampling sehr ähnlich, die man auch bitten kann, ganz einfach Dinge zu machen wie in SOUS LE SABLE.
Sie haben mit TROPFEN AUFG HEISSE STEINE ja auch ein Fassbinder-Stück verfilmt. Haben Sie denn eine besondere Beziehung zu Deutschland?
Ich habe die deutsche Kultur immer geliebt, war in meiner Kindheit oft in Hamburg und hatte einen deutschen Brieffreund. Deutsch war auch meine erste Fremdsprache in der Schule, das ist aber von Englisch verdrängt worden. Ich liebe Sirk, Wilder, Lang, Preminger, die die besten Filme Hollywoods gedreht haben. Das erste Bild in 8 FRAUEN mit dem Reh im Schnee ist deshalb auch eine Hommage an Sirks ALL THAT HEAVEN ALLOWS. Ich wollte eigentlich einen Hirsch, aber das war nicht möglich, weil ich in einer Zeit gedreht habe, in der die Hirsche ihre Geweihe schon abgestoßen haben. So ist also auch dieser Versuch gescheitert, wenigstens einen Mann unter die acht Frauen zu schmuggeln, und ich mußte auch in dem Fall ein Weibchen nehmen.
Man hat Sie schon häufiger mit Truffaut verglichen. Sehen Sie da Parallelen?
Ich mag, daß er flexibel war, große und kleine Budgets abwechselte. Daß er immer schon den nächsten Film begonnen hatte, während der letzte gerade ins Kino kam, so daß er vom Erfolg nicht so abhing. Ich bin nicht wie Kubrick, der immer auf der Suche nach dem absoluten Meisterwerk war, sondern eher wie Fassbinder, der das Scheitern in Kauf nahm.

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