16. Oktober 2003 | Frankfurter Allgemeine Zeitung | Glosse | Lego

Kino gegen Lego

Runde Knöpfe, eckige Steine

Alles begann damit, daß jemand eine Audio-Cassette mit Herbert Zimmermanns Kommentar vom Endspiel in Bern im VW-Bus liegengelassen hatte. So kamen Florian Plag, Ingo Steidl und Martin Seibert, die an der FH Offenburg Medien und Informationswesen studieren, auf die Idee, einen Film zur Radioreportage zu drehen. Und weil sie weniger Geld als Sönke Wortmann zur Verfügung hatten, wurde das legendäre 3:2 der Deutschen gegen Ungarn im heimischen Hobbykeller mit Lego-Männchen nachgestellt und Bild für Bild animiert (www.wm54.de.vu). Die Jungs haben sich einige Freiheiten herausgenommen, beim Torjubel und der La-ola-Welle im Publikum, aber von Zimmermanns O-Ton befeuert, vergißt man schnell, daß alles nur aus Lego ist.

Im Netz hat sich das Nachstellen berühmter Filmszenen längst zur eigenen Kunstform entwickelt, die sich brick films oder Lego movies nennt. Die Firma hat ihrerseits darauf reagiert und ein „Steven Spielberg Movie Maker Set“ auf den Markt gebracht, wo man mit kleiner Digitalkamera und Software JURASSIC PARK nachstellen kann. Filme werden im Kinderzimmer also nicht mehr nur nachgespielt, sondern das Nachspiel wird gleich verfilmt und womöglich gleich das „Making of“ mitproduziert. Wahrscheinlich gibt es längst irgendwo ein minderjähriges Supertalent, das mit seinen Steinchen ein Meisterwerk nach dem anderen dreht. Und am Ende wird es dem Kino womöglich so gehen wie der Architektur, denn dort sehen immer mehr Häuser so aus, als hätten ihre Architekten in der Kindheit zu viel Lego gespielt.

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